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Ein
Lüfter an einem 8-Zoll-Newton-Teleskop
von J. S. Schlimmer (aus Sterne und Weltraum 6/2002) Neben Bewölkung und Lichtverschmutzung ist das Seeing der größte Feind der beobachtenden Astronomen. Oft ist schlechtes Seeing jedoch vermeidbar: Dann nämlich, wenn es im Teleskop selbst entsteht. Eine mögliche und auch erfolgreiche Gegenmaßnahme gegen Tubusseeing ist die Belüftung des Tubus mit einem Ventilator.Die Wolken lösen sich auf und die Nacht verspricht sternklar zu werden. Schnell wird das Teleskop auf den Balkon oder in den Garten gestellt, damit es sich der Außentemperatur anpaßt. Wer kennt das nicht ? Doch wie lange dauert dies und wie groß darf die Temperaturdifferenz zwischen Spiegel und Außenluft sein ? Bei offenen Systemen wie z. B. bei Newton-Teleskopen können sich Temperaturdifferenzen in Form von Luftschlieren negativ auf die Abbildung auswirken. Im Gegensatz zu den Refraktoren müssen die Lichtstrahlen den Tubus zweimal durchlaufen, wodurch sich der Einfluß der Luftschlieren verdoppelt . Daher ist eine bestmögliche Temperaturanpassung des Spiegels an die Außenluft wichtig. Meist fällt die Temperatur während der ganzen Nacht, so daß die Spiegeltemperatur der Außentemperatur stets nachläuft. Zur schnelleren Temperaturanpassung wurde daher ein PC Lüfter an das Teleskop montiert. Das Ziel war es, eine Temperaturdifferenz kleiner 1° C in möglichst kurzer Zeit zu erreichen. Die Messungen und die Erfahrungen die ich hierbei gemacht habe, sind Gegenstand dieses Artikels.
Bei dem Teleskop handelt es sich um ein 8-Zoll-Newton-Teleskop der Firma Vixen (Abbildung 1). Ich besitze dieses Teleskop nun seit 2,5 Jahren. Es hat sich in erster Linie in der Deep-Sky-Fotografie im Primärfokus bewährt. Abbildung 1 : Das Newton Teleskop R200SS von Vixen
Als Lüfter verwende ich einen normalen PC-Lüfter von der Größe 80 mm x 80 mm x 25 mm, der in Elektronik Geschäften bezogen werden kann. Die Leistung beträgt 2,64 W. Mit max. 3000 U/Minute werden 62,4 m3 Luft pro Stunde angesaugt. Der Tubus wird am hinteren Ende von einer ringförmigen Hauptspiegelfassung abgeschlossen. In dieser sitzt eine runde Metallplatte. Hinter der Metallplatte befindet sich die eigentliche Spiegelzelle mit dem Spiegel. Der Lüfter wurde außen an die Abdeckplatte des Newtons befestigt, in die zuvor ein rundes Loch geschnitten wurde (Abbildung 2). Zwischen Spiegelzelle und Rückplatte befindet sich ein kleiner Spalt von 1-2 mm, dessen Breite durch die Justage des Spiegels variiert werden kann. Bei der Montage des Lüfters muß dieser Spalt abgedichtet werden, andernfalls wird die Luft auch durch diesen Spalt angesaugt, was einem strömungstechnischem Kurzschluß entspräche. Der Lüfter saugt die warme Luft aus dem Tubus ab. Dabei wird kühlere Außenluft zwischen Spiegel und Spiegelzelle an der Spiegelrückwand entlang geführt, wodurch sich der Spiegel schneller abkühlt. Abbildung 2 : Hauptspiegelfassung, Metallplatte mit Lüfter Meßaufbau Viele Thermometer haben im Gehäuse einen Temperaturfühler und einen weiteren als Außenfühler. Vergleicht man beide Werte bei einer gegebenen Temperatur miteinander, so sind Abweichungen von 0,5° bis 1 ° C durchaus normal. Desweiteren besitzen beide Fühler oft eine unterschiedliche Auflösung. Diese Thermometer sind für die Bestimmung von Temperaturdifferenzen nicht geeignet. Meine Wahl fiel deshalb auf zwei PT100 Präzisions-Temperatursensoren (Abbildung 3). Abbildung 3 : Ein PT100 Temperaturwiderstand Bei dem PT100 handelt es sich um einen temperaturabhängigen Platinwiderstand, der bei 0° C einen Widerstand von 100 Ohm besitzt. Er ist im Temperaturbereich von –70° bis +500° C einsetzbar und hat im Bereich von 0° bis 100° C eine Genauigkeit von 0,1°C. Seine Kennlinie ist linear, was die Handhabung sehr einfach gestaltet. Der Widerstand läßt sich mit einem Multimeßgerät einfach ablesen. Die Temperatur kann anschließend über die Kennlinie ermittelt werden. Diese berechnet sich wie folgt : R = RLeitung + R0 (1 + alpha dt))Es bietet sich an, eine Tabelle zu erstellen, in der jedem Widerstandswert eine Temperatur zugeordnet ist. Durch die
Leitungen und Anschlüsse
vergrößern sich die Widerstände. Zunächst werden
daher
die tatsächlichen Widerstandswerte gemessen (Abbildung 4). Hierzu
gibt es zwei markannte Punkte : den Eispunkt und den Siedepunkt. Den
Eispunkt
kann man mit einem Eiswasser- Gemisch bestimmen. Während der
Messung
sollte das Gemisch leicht geschüttelt werden, andernfalls
können
sich Temperaturdifferenzen bis zu 1°C zwischen den Sensoren
einstellen.
Für beide Sensoren ergab sich ein Widerstand von 100,5 Ohm. Die
Bestimmung
des Widerstands am Siedepunkt kann sehr leicht mit Hilfe eines
Wasserkochers
erfolgen. Hierzu werden beide Sensoren nahe des Deckels in den
heißen
Wasserdampf gehalten. Damit die Sensoren dem schnellen
Temperaturanstieg
folgen können, sollte die Wassermenge mindestens 0,5 Liter
betragen.
Hier ergab sich für beide Sensoren ein Wert von 138,1 Ohm, was
einer
Temperatur von 97,7°C entspricht. Eine kleine Differenz zwischen
der
Temperatur des Wasserdampfes und des Siedepunktes ist möglich,
aber
hier nicht von Bedeutung. Abbildung 4 : Zur Kalibrierung der Temperaturwiderstände dienen Schmelzwasser und Kochwasser Zur Durchführung der Messungen wurde ein Temperatursensor mit Sekundenkleber auf die Seite des Spiegels geklebt. Dieser konnte später mit einem scharfen Messer entfernt und wieder verwendet werden. Der zweite Temperatursensor befand sich außerhalb des Teleskops und bestimmte die Außentemperatur. Von Oktober bis Dezember 2000 wurden mehrere Messungen auf dem Balkon bei meist klarem Wetter durchgeführt. In der Regel wurden beide Sensoren alle 15 Minuten abgelesen. Temperaturanpassung aus meßtechnischer Sicht Zunächst stand die Frage im Raum, wie gut sich der Spiegel des serienmäßigen – also noch nicht modifizierten – Newton-Teleskops der Außentemperatur anpaßt. Abbildung 5 zeigt die Temperaturverläufe der Außenluft und des Spiegels. Hierbei fällt auf, daß sich die Außenluft nicht gleichmäßig abkühlt. Relative Maxima wechseln sich mit relativen Minima ständig ab. Die Wärmestrahlung der Erde wirkt der Abkühlung der Luft entgegen, so daß letztlich eine langsame Temperaturabnahme erfolgt. Dieser Prozeß ist generell zu beobachten und unabhängig vom Standort (Balkon, Garten, Feld). Die Ausprägung der relativen Extremwerte kann dabei sehr unterschiedlich sein. Bei Windstille sind die Extremwerte im freien Gelände oft sehr deutlich ausgeprägt (Differenz bis zu 2,0° C), während der Temperaturabfall bei Wind flacher verläuft. Diesen Temperaturschwankungen kann der Spiegel nicht folgen. Nach 60 Minuten beträgt der Unterschied 2,6°C, nach 180 Minuten sind es immerhin noch 1,8°C. Abbildung 5 : Temperaturverlauf der Luft (blau) und des Spiegels (rot) ohne Lüfter am 03.Oktober 2000. Es war sternklar und windstill.Abbildung 6 zeigt
exemplarisch
einen typischen Temperaturverlauf mit eingeschaltetem Lüfter.
Deutlich
erkennt man die bessere Temperaturanpassung des Spiegels an die
Außenluft,
dennoch dauert es ca. 70 Minuten bis die Differenz weniger wie 1°C
ist. Auch hier läuft die Temperatur des Spiegels der
Außentemperatur
stets nach. Ferner gibt der Sensor nur die Temperatur des Spiegelrandes
wieder. Da Pyrex jedoch ein schlechter Wärmeleiter ist,
dürften
im Spiegel Temperaturgradienten existieren. Tubusseeing und visuelle Abbildungsqualität Wie sich die Kühlung des Spiegels mit Lüfter auf visuelle Beobachtungen auswirkt, soll zunächst exemplarisch an folgenden Beispielen dargestellt werden :
Diese Erfahrungen stimmen sehr gut mit den Ergebnissen von Bryan Greer [1] überein. Er hat das Auskühlen eines 6-Zoll-Spiegels mittels der Schlierenmethode im Labor untersucht. Bei Temperaturdifferenzen unterhalb 1° C ließen sich kaum noch Schlieren erkennen. Wie bei allen elektrischen Geräte wird auch beim Lüfter ein Teil der aufgenommenen Energie in Wärme umgesetzt. Solange die kühlere Luft durch den Tubus angesaugt wird, spielt die Erwärmung des Lüfters keine Rolle, da die Wärme an die Außenluft abgegeben wird. Schaltet man den Lüfter jedoch aus, so gibt dieser seine Wärme an die Innenluft ab. Die Luft steigt dann an der Rückseite des Spiegels im Tubus auf, wobei sich das Tubusseeing wieder verschlechtert. Nach 40 Minuten Betrieb konnte ich nach dem Ausschalten des Lüfters eine Erwärmung am Lüftergehäuse von 7°C feststellen. Letztlich verhindert gerade der Lüfter den vollständigen Temperaturausgleich im Tubus, sofern der Lüfter hinter dem Spiegel am Teleskop befestigt ist. Solches ist jedoch auf Teleskoptreffen häufig zu beobachten ! In seinem Artikel über die Zwangsbelüftung eines offenen 10-Zoll-Newton-Teleskops (1:6) weist Kurt Schreckling [2] ebenfalls auf eine starke Verschlechterung der Abbildungsleistung beim Abschalten des Lüfters hin. Bei seiner Anordung sind Lüfter und Teleskop jedoch mechanisch mit Hilfe eines Faltschlauches voneinander entkoppelt, wodurch der Lüfter seine Wärme nicht an das Teleskop abgeben kann. Zudem wird die Luft durch den Tubus geblasen. Deep-Sky-Fotografie Wenn sich die visuelle Abbildungsqualität bei laufendem Lüfter selbst bei 180facher Vergrößerung verbessert, liegt es nahe, den Lüfter auch während Deep-Sky-Aufnahmen im Primärfokus laufen zu lassen. Auf allen bisherigen Aufnahmen, die ich mit eingeschaltetem Lüfter gemacht habe, sind die Spikes um helle Sterne deutlich schärfer abgebildet. Ferner erscheinen helle Sterne auf den Aufnahmen am Rand weniger ausgefranst. Abbildung 7 zeigt eine so gewonnene Aufnahme des Orion-Nebels. Dirk Sprungmann hingegen ging in seinem Artikel [3] davon aus, daß schärfere Astro-Aufnahmen bereits mit abgeschaltetem Lüfter alleine durch die bessere Temperaturanpassung von Spiegel und Außenluft erreicht werden. Durch die Eigenerwärmung des Lüfters ist dies jedoch nur bedingt zu erwarten. Abbildung 7 : Der Orionnebel, 5 Minuten belichtet auf E200, gepusht auf 320 ASA Nachteile
Literatur [1] Bryan Greer,
Understanding
Thermal Behavior in Newtonian Reflectors, Sky & Telescop 9/2000,
siehe
auch : http://www.fpi-protostar.com/bgreer/
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