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Der Beobachtungsplatz

10 Kriterien zur Beurteilung des Standortes

von J.S. Schlimmer

Astronomische Gesichtspunkte

1. Panorama

In Ballungszentren ist es nicht immer einfach einen geeigneten Beobachtungsort zu finden. Außerhalb der Ortschaften findet man mit etwas Glück einen Beobachtungsplatz, der auch einen möglichst großen Himmelsausschnitt frei gibt. Ideal ist ein Beobachtungsplatz mit 360° Panorama und Aussicht auf die umliegende Landschaft. Bei der Beobachtung aus der Stadt heraus wird der Himmelsausschnitt in der Regel durch benachbarte Häuser oder durch das eigene Haus stark eingegrenzt. Aber auch bei einem Standort außerhalb von Siedlungen kann der Himmelsausschnitt durch Bäume eingegrenzt werden.


Abbildung 1: Panorama am Tag 


Abbildung 2 : Sonnenuntergang an einem Frühlingsabend


2. Maximale visuelle Grenzgröße im Zenit sowie in Horizontnähe

Durch die alleinige Angabe der visuellen Grenzgröße im Zenit läßt sich ein Beobachtungsstandort zwar nicht hinreichend beschreiben, doch am ehesten mit einem anderen Standort vergleichen. Zur vollständigen Charakterisierung muß die Lichtverschmutzung in Horizontnähe, deren Verteilung in Abhängigkeit von den Himmelsrichtungen, sowie die Stärke der Lichterglocken mit berücksichtigt werden. Die visuelle Grenzgröße im Zenit bertägt bei meinem Beobachtungsplatz ca. 5,6 mag. Im Nordwesten liegt in ca. 40 km Entfernung der Frankfurter Flughafen. Die Lichterglocke über dem Flughafen ist so gewaltig, daß die eigentliche Lichterglocke über der Stadt Frankfurt geradezu vernachlässigbar ist. Im Südwesten befindet sich eine weitere Lichterglocke, die durch die zahlreichen Gewerbegebiete entlang der A5 und nicht zuletzt durch BASF in Ludwigshafen (Entfernung ca. 35 km) verursacht wird. Von Osten bis Süden ist der Himmel weitestgehend dunkel und frei von Lichterglocken.


Abbildung 3 : Lichterglocke des Frankfurter Flughafens in 40 km Entfernung,  28 mm/ 5,6
120 Sekunden auf Kodak E200 belichtet


3. Direktes Streulicht

Straßenlaternen einer nah gelegenen Ortschaft können sehr störend sein wenn sie in Beobachtungsrichtung liegen. Weitaus schlimmer noch ist das Fernlicht von Fahrzeugen, das einen vermutlich guten Beobachtungsplatz geradezu untauglich werden läßt. Aber auch nur gelegentlich in der Nähe vorbei fahrende Fahrzeuge stören bereits und können eine Langzeitbelichtung oder die Dunkeladaption der Augen zunichte machen. 

4. Flugzeuge

Insbesondere bei der Astrofotografie stören Flugzeuge. Auf meinen Deep-sky-Aufnahmen finde ich immer wieder Lichterspuren von Flugzeugen, die ich während der Aufnahme nicht bemerkte. Im Radius von ca. 50 km von Großflughäfen sind die Flugzeuge immer gegenwärtig - auch nachts. Aber auch fernab größerer Flughäfen verlaufen die Flugrouten des Internationalen Flugverkehrs.


Abbildung 4 : Kondensstreifen am Tag

Topographische und klimatische Gesichtspunkte des Standortes

5. Topografie

Die Topografie hat ebenfalls einen starken Einfluß auf den Tagesgang der Lufttemperatur. Dieser wirkt sich wiederum auf das bodennahe Seeing aus. Auf den Bergkuppen ist es tagsüber deutlich kälter wie in den Tälern, oder gar in einer Ebene. In wolkenlosen, windstillen Nächten - sogenannten Strahlungsnächten - kühlt sich die Temperatur auf den Bergkuppen nur gering ab. Bereits kurz nach Sonnenuntergang hat die Temperatur schon nahezu ihr Minimum erreicht ! In den Tälern hingegen kühlt sich die Temperatur während der ganzen Nacht kontinuierlich ab und erreicht erst kurz vor Sonnenaufgang ihr Minimum. Der Grund hierfür liegt in der spezifischen Dichte der Luft. Auf den Kuppen fließt die Kaltluft abwärts ins Tal und wird durch Luft der freien Atmosphäre der Umgebung ersetzt. Dieser Luftaustausch führt dazu, daß die Temperatur der bodennahen Luft auf den Bergkuppen die ganze Nacht über nahezu konstant ist. In den Tälern wo die Kaltluft nicht mehr weiter abfließen kann, entsteht ein sogenannter Kaltluftsee. Sinkt die Temperatur unter den Taupunkt, kommt es hier zur Nebelbildung. Auf Bergkuppen hat man daher viel weniger Probleme mit Taubeschlag der Optiken ! Diese Effekte lassen sich bereits im Mittelgebirge schön beobachten.

6. Die Freifläche

Liegt der Beobachtungsplatz inmitten einer weiten Wiese, so ist mit weniger Luftunruhe wie bei großen, asphaltierten Flächen (zum Beispiel Parkplätzen) zu rechnen. Beim Befahren einer Wiese besteht insbesondere im Sommer ein erhebliches Brandrisiko durch den heißen Katalysator und den Auspuff des Fahrzeugs. Daher sollte man mit seinem Fahrzeug den asphaltierten Fahrweg nicht verlassen.


Abbildung 5 : Stellplatz auf einem Feldweg am Rande einer Wiese
Im Winter wirken sich Schnee bedeckte Flächen sehr positiv auf das bodennahe Seeing aus, da Schnee tagsüber keine Infrarotstrahlung absorbiert und nachts entsprechend keine Infrarotstrahlung emittiert. In höheren Lagen trifft man naturgemäß häufiger auf schneebedeckte Flächen wie in den großen Tiefbenen (Rhein-Main Ebene, Rheingraben u.s.w.).

7. Windschutz

Wind ist eine Folge der Sonneneinstrahlung. Somit ist der Tagesgang des Windes während eines kräftigen, stationären Hochdruckgebietes an den Verlauf der Sonne gekoppelt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß mit tiefer sinkender Sonne der Wind schwächer wird und schließlich in der Dämmerung ganz nach läßt. Leider ist nicht jedes Hochdruckgebiet stationär und somit nicht jede wolkenlose Nacht auch windstill. Insbesondere wenn ein Hochdruckgebiet heran zieht und für beste Sichtverhältnisse sorgt, läßt der Wind auch in der Nacht nicht nach. Gerade auf Bergkuppen und Hochebenen kann der Wind zu einem Problem werden. Windböen bringen das Teleskop zum Schwingen, wodurch der Blick durchs Okular stets verwackelte Bilder mit sich bringt. Auch die subjektive Temperaturempfindung hängt von der Windstärke ab. Oft bieten Waldränder hinreichenden Windschutz. Ich habe bei verschiedenen Beobachtungsplätzen die Erfahrung gemacht, daß bereits wenige Meter vom schönsten Panorama entfernt, oft günstigere klimatische Verhältnisse vorzufinden sind. 


Abbildung 6 : Windschutz durch benachbarten Waldrand
Nahe gelegene Wälder können sich in Strahlungsnächten aufgrund ihres eigenen Mikroklimas zusätzlich günstig auf das bodennahe Seeing auswirken. Tagsüber erwärmt sich die Luft in einem Wald nicht so sehr wie auf einer Freifläche, Nachts kühlt die Luft  nicht so stark ab. Der Tagesgang der Lufteremperatur über den Baumkronen ist daher weniger ausgeprägt wie bei einer Freifläche. Wälder wirken sich auf den Tagesgang generell ausgleichend aus. Anderersseits können einzelne Baumgruppen oder nahe gelegene Waldränder bei Wind Luftverwirbelungen hervorrufen. Turbulente Luft wirkt sich auf das Seeing immer ungünstig auf. 

8. Ebenheit

Der Aufstellungsplatz für ein Teleskop und weiteres Zubehör sollte möglichst eben sein. Die Aufstellung des Teleskops in leichter Hanglage ist zwar möglich aber gewöhnungsbedürftig. 

9. Bodenfestigkeit

Der Beobachtungsplatz sollte auch nach einer längeren Regenphase noch benutzbar sein. Dies ist bei befestigten Wegen und Parkplätzen in der Regel der Fall. Wiesen und unbefestigte Wege können hingegen völlig durchweicht sein. Wer möchte schon mitten in der Nacht mit seinem Fahrzeug steckenbleiben ?

Organisatorische Gesichtspunkte

10. Erreichbarkeit

Der beste Beobachtungsplatz ist letztlich derjenige, den man am häufigsten aufsucht ! Man muß sich daher überlegen oder ausprobieren, wie viel Zeit man für die Hin- und Rückfahrt investieren möchte. Insbesondere vor einer nächtlichen Rückfahrt sollte man die eigene Müdigkeit berücksichtigen und rechtzeitig seine Beobachtungsnacht beenden.

Bewertung meines bevorzugten Beobachtungsplatzes :

Aufgrund der maximalen visuellen Grenzgröße von 5,6 mag im Zenit ist die Fotografie von Deep-Sky-Objekten eingeschränkt möglich. Im Zenit können Aufnahmen auf Kodak E200 mit dem Vixen R200SS (f/4) bis zu 10 Minuten belichtet werden. In Horizontnähe beträgt die Belichtungszeit maximal 5 Minuten. Mit diesen Belichtungszeiten können bereits viele hellere Wasserstoffnebel, Sternhaufen und auch Galaxien aufgenommen werden. 


Die Galaxie M33 im Sternbild Dreieck, R200SS, Aufnahmebrennweite 800 mm, 9 Minuten
auf Kodak E200, 10.11.01 Tromm

Für die Beobachtung und Aufzeichnung von Doppelsternen oder Sternspektren reicht die visuelle Grenzhelligkeit hingegen völlig aus. Hier profitiert man in der Regel von der geringeren Luftunruhe.
Die oben dargestellten Kriterien beruhen auf meinen Erfahrungen von rund 50 astronomischen Ausflügen zu 6 verschiedenen Plätzen im Odenwald und an der Bergstraße. Die Doppelsternaufnahmen und Zeichnungen wurden in der Regel von meinem Wohnsitz in der Rheinebene angefertigt. Abschließend habe ich die Kriterien und deren Bewertung für meinen bevorzugten Beobachtungsplatz nocheinmal zusammengefaßt:




Kriterien Bewertung
1. Panorama ****
2. Visuelle Grenzgröße *** (5,6)
3. Direktes Streulicht **
4. Flugzeuge *
5. Freifläche ******
6. Topografie *****
7. Windschutz **
8. Ebenheit **
9. Bodenfestigkeit *****
10. Erreichbarkeit ****

Legende : ***** sehr gut,  * sehr schlecht

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letzte Aktualisierung : 05.12.2004, Seitenaufrufe seit 1. Januar 2005 :