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Wie
gut muss das Seeing sein ?
Stichworte : Auflösungsvermögen, Rayleigh-Kriterium, Seeing, Modulations Transfer Funktion (MTF), Kohärenzlänge, lucky short-exposure image von J. S. Schlimmer (aus NightSky 3/2004) Wie gut muss
das Seeing
sein damit man einen Doppelstern von 1,0 Bogensekunden noch
auflösen
kann ? Diese Frage stellte sich mir vor einigen Jahren als ich anfing
Doppelsterne
zu beobachten. Das Auflösungsvermögen und das Rayleigh-Kriterium Durch die
endliche Öffnung
des Teleskops und den Wellencharakter des Lichtes wird ein idealer
Punkt
im Unendlichen (Stern ohne Luftunruhe) als Beugungsscheibchen endlicher
Größe (Airy - Disk) in der Fokalebene abgebildet. Damit
hängt
das theoretische Auflösungsvermögen also von der
Größe
der Teleskopöffnung (Eintrittspupille) und der Wellenlänge
des
Lichtes ab. Die Auflösung lässt sich wie folgt berechnen
: Gleichung 1Dabei ist D die effektive Öffnung des Teleskops. Möchte man das Ergebnis in Bogensekunden erhalten, so muss man Gleichung 1 mit 360°/2Pi x 3600 multiplizieren. Doppelsterne sind im Vergleich zu HII Regionen oder Galaxien helle Objekte, die im Okular direkt sichtbar sind. In der Regel können die Farben der einzelnen Komponenten deutlich wahrgenommen werden. Die maximale spektrale Empfindlichkeit des Auges für Farbwahrnehmungen (Zäpfchen) liegt bei 555 nm (DIN 5031 T 3) [7]. Zur Definition des Auflösungsvermögens eines Teleskops verwendet man sehr gerne das so genannte Rayleigh-Kriterium. Bei dem Rayleigh-Kriterium geht man davon aus, dass sich zwei Beugungsscheibchen gleicher Helligkeit und Farbe noch trennen lassen, wenn das Minimum des ersten mit dem Maximum des zweiten zusammenfällt. Ein Teleskop mit
8-Zoll Öffnung
hat eine theoretische Auflösung von 0,70 Bogensekunden. Zwischen
den
beiden sich überlappenden Beugungsscheibchen fällt die
Helligkeit
auf 0,735 des Maximalwertes ab. Da es sich bei der Überlagerung
der
beiden Beugungsscheibchen um inkohärentes Licht handelt (jeder
Stern
stellt eine unabhängige Lichtquelle dar), entsteht kein
Interferenzmuster
im Überlappungsbereich. Damit lässt sich der Kontrast
für
einen gerade noch aufzulösenden Doppelstern wie folgt leicht
berechnen
: Gleichung 2Aus dem Rayleigh–Kriterium folgt also ein Kontrast von 15,3 % ! Die Modulations Transfer Funktion (MTF) Die Modulations
Transfer
Funktion (MTF) beschreibt allgemein den Kontrast einer
Bildübertragung
in Abhängigkeit von der Auflösung (Schärfe). Jedes
optische
System (Teleskop, Okular, CCD, Film) hat seine eigene MTF. Auch die
Bildübertragung
durch die Luft lässt sich durch eine zeitlich gemittelte MTF
ausdrücken [4] : Gleichung 3Der Parameter D beschreibt die Teleskopöffnung, r0 ist der Fried Parameter bzw. die Kohärenzlänge, mit der sich das Seeing beschreiben lässt. Eine ausführliche Darstellung hierzu findet der interessierte Leser unter [2]. Zusammenhang zwischen dem Seeing und der Kohärenzlänge Der Zusammenhang
zwischen
Seeing und Wellenlänge ist gegeben durch : Gleichung 4Um das Ergebnis in Bogensekunden zu erhalten muss man die Wellenlänge mit 360°/2Pi x 3600 multiplizieren. Wie gut muss das Seeing sein für...... (Langzeitbelichtung) Damit ein
Doppelstern nach
dem Rayleigh–Kriterium noch getrennt werden kann muss die
MTF(r0)
= 0,153 sein. Nun können wir also mit der Rechnung beginnen.
Hierzu
müssen wir Gleichung 3 nach r0 auflösen. Den Exponent zur
Basis
e beseitigen wir zunächst durch den natürlichen
Logarithmus
Als nächstes beseitigen wir den Exponenten in dem wir die 5/3-te Wurzel ziehen. Diese ist gleich dem Kehrwert des Exponenten. Zuletzt lösen wir die Gleichung nach r0 auf : Gleichung 5Um einen Doppelstern von 1,0 Bogensekunden aufzulösen, wird eine Öffnung D von 0,126 m benötigt (Gleichung 1). Nun können wir die erste Frage beantworten : Die Kohärenzlänge (Fried Parameter) r0 beträgt 0,18 m (Gleichung 5). Dies entspricht bei einer Wellenlänge von 500 nm einem Seeing von omega = 0,57 Bogensekunden (Gleichung 4). In Abbildung 2 ist die MTF bereits für diesen Wert dargestellt. Wie schon in [2] diskutiert, gilt die oben dargestellte MTF nur für fotografische Aufnahmen. Die Wahrscheinlichkeit für ein gutes Einzelbild mit einer Webcam (Kurzzeitbelichtung) Mit dem Aufkommen
der CCD
Kameras in den 70er Jahren und der damit verbundenen Möglichkeit
mit
kurzen Belichtungszeiten die Luftunruhe einzufrieren, stellte sich die
Frage, wie viele Bilder aufgenommen werden müssen, damit man bei
einem
bestimmten Seeing ein gutes Bild erhält. Die besten Bilder werden
dann zentriert und miteinander überlagert (Shift and add Verfahren, heute
allgemein als Stacking
bezeichnet). Durch die zunehmende
Verbreitung
moderner, lichtempfindlicher Videokameras wurde diese Technik Ende der
90er Jahre von einigen Amateurastronomen aufgenommen. Seit der
Einführung
preiswerter, lichtempfindlicher Webcams hat sich diese Technik in der
Amateurastronomie
als eigener Bereich etabliert.
Abbildung 3 zeigt ein simuliertes Beugungsscheibchen für einen f/4 Newton mit 30 % Obstruktion zunächst ohne Seeing Effekt und dann mit einer Turbulenz von lambda / 2Pi , also ein ”lucky image”. Abbildung 3 : a) simuliertes Beugungsscheibchen für einen f/4 Newton mit 30 % Obstruktion b) simuliertes Beugungsscheibchen für einen f/4 Newton mit 30 % Obstruktion und einem Wellenfrontenfehler von 1 rad [6] Natürlich zeigt sich der Seeing Effekt in der Natur nicht so symmetrisch wie in obiger Simulation. Doch kommen wir nun zurück zur Frage wie viele Bilder wir mit einer Webcam aufzeichnen müssen, um ein gutes Einzelbild zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist annähernd [5] : Gleichung 6In Gleichung 6 beschreibt D wieder die Teleskopöffnung und r0 die Kohärenzlänge. Dabei muss D/r0 größer gleich 3,5 sein. In Abbildung 4 ist die Wahrscheinlichkeit für 8 Zoll-, 12 Zoll- und 16 Zoll Öffnungen berechnet. Abbildung 4 : Die Wahrscheinlichkeit P für ein ”lucky image” für 8-, 12- und 16 Zoll Öffnungen in Abhängigkeit der Kohärenzlänge r0 Wie man sofort
erkennt, liefert
ein 8 Zoll Teleskop bei einer Kohärenzlänge von 60 mm (Seeing
ca. 1,7 Bogensekunden) jedes Bild besser als lambda / 2Pi, während
ein Teleskop mit 16 Zoll Öffnung zur Erfüllung dieser
Bedingung
bereits 223 Bilder benötigt ! Ist also nun ein Teleskop mit
kleiner
Öffnung im Vorteil ? Nein, natürlich nicht, denn jedes Bild
eines
16-Zöllers, das die Bedingung erfüllt, hat dafür ja
schließlich
auch die doppelte Auflösung. Es ist
möglich für
die Langzeitbelichtung (z. B. Galaxien, Nebel u. ä.) das reale
Auflösungsvermögen
von Objektdetails in Abhängigkeit der Luftunruhe zu berechnen. Literartur, Quellennachweis
[1] J.S.
Schlimmer, Gamma
Virginis – oder der Sieg über das Seeing mit einem 8 Zoll Newton
Teleskop,
interstellarum 27, April 2003 |