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Auflösungsvermögen
und Modulations Transfer Funktion (MTF) in der Praxis
Stichworte : Seeing, Strahlungsnächte, Kohärenzlänge, Modulations Transfer Funktion (MTF), Interferometrie von J. S. Schlimmer (aus NightSky 2/2004) Neben der Optik und der Art des Detektors (Auge, Film, CCD) hat die Luftunruhe einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Abbildung. Neben der Bildschärfe ist vor allem der Kontrast betroffen. Während Optiken und Detektoren oft beschrieben und diskutiert werden, wird die Luftunruhe in der Regel als gegeben hingenommen und vernachlässigt. Wie sich die Luftunruhe auf eine Abbildung auswirkt, soll im folgenden Artikel näher dargestellt werden. Das Auflösungsvermögen eines 8-Zoll-Teleskops Legt man eine
Wellenlänge
von 500 nm zugrunde, so ergibt sich für ein Teleskop mit 8-Zoll
Öffnung
nach dem Rayleigh - Kriterium eine theoretische Auflösung von 0,63
Bogensekunden. Bei dem Rayleigh - Kriterium geht man davon aus, dass
sich zwei Beugungsscheibchen gleicher Helligkeit und Farbe noch trennen
lassen, wenn das Minimum des ersten mit dem Maximum des zweiten
zusammenfällt.
Zwischen den beiden sich überlappenden Beugungsscheibchen
fällt
die Helligkeit auf 75 % des Maximalwertes ab. Dies entspricht immerhin
noch einem Kontrast von rund 14 %. Entstehung und Eigenschaften des Seeings Unter dem Begriff Seeing versteht man allgemein das Flimmern und Funkeln der Sterne, welche durch Effekte der turbulenten Erdatmosphäre hervorgerufen werden. In der Literatur wird oft zwischen einem Seeing- und einem Szintillationsanteil unterschieden. Der Seeinganteil bezieht sich dabei auf die Ortsschwankungen während der Szintillationsanteil die Helligkeitsschwankungen beschreibt. Beide Effekte werden durch Luftturbulenzen verursacht. Die Luftturbulenzen entstehen an der Grenze zwischen den Luftschichten der Atmosphäre und werden durch unterschiedliche Temperaturen hervorgerufen. Warme Luft hat eine geringere Dichte als kalte Luft. Dadurch steigen warme Luftmassen auf und es kommt zu einer ständigen Mischung. Diese Luftmassen kann man sich statistisch wie Zellen oder Blasen vorstellen [1]. Mit der Dichte der einzelnen Luftzellen verändert sich auch der Brechungsindex und somit ändert sich auch ständig die Richtung eines Lichtstrahls (Ortsschwankungen). Ferner kann die Phasendifferenz zwischen zwei benachbarten Lichtwellen gerade so groß sein, dass es zur Auslöschung kommt (Helligkeitsschwankungen). In Abbildung 1 sind diese beiden Effekte gut zu sehen. Mit zunehmender Öffnung des Teleskops nimmt der Effekt des Seeings zu, da die Phasenbeziehungen der zur Abbildung beitragenden Lichtwellen immer stärker gestört werden. Abbildung 1 : Strichspuraufnahme von 24 Gamma Orionis (Bellatrix). Die Orts- und Helligkeitsschwankungen die durch die Luftunruhe hervor gerufen werden sind deutlich zu sehen. Mit Strichspuraufnahmen lassen sich sehr schön die Farben der Sterne aufzeichnen. Bei Bellatrix handelt es sich um einen Blauen Riesen mit dem Spektrum B2IIIDie
Phasendifferenz zweier
Lichtwellen wird allgemein auch als Gangunterschied bezeichnet. Wird
der
Gangunterschied zwischen einzelnen Lichtwellen zu groß, so
besteht
zwischen ihnen keine räumliche Beziehung mehr. Der Physiker D. L.
Fried führte 1965 hierzu die Kohärenzlänge r0 ein, die
angibt
wie groß der maximale Abstand zweier Lichtwellen noch sein darf,
damit die Störungen der Luftbewegungen noch vernachlässigt
werden
können. Die Kohärenzlänge r0, die auch als Fried
Parameter
bezeichnet wird, beschreibt letztlich die effektive Öffnung, bei
der
ein Teleskop noch beugungsbegrenzt abbildet ! Abbildung 2 : Das Seeing in Abhängigkeit von der Zenitdistanz (Abstand vom Zenit), bei einem angenommenen Seeing von 1 Bogensekunde im Zenit. In Horizontnähe ist das Seeing am schlechtesten. Durch das Seeing wird bei der Astrofotografie eine Punktquelle (Stern) in ein Seeingscheibchen umgewandelt. Dadurch wird das Auflösungsvermögen eines Teleskops zusätzlich begrenzt. Durch Techniken wie z. B. der adaptiven Optik ist es seit einigen Jahren möglich, das Auflösungsvermögen der Großteleskope deutlich über die Begrenzungen des Seeings zu verbessern. Auch in der Amateurastronomie ist es durch den Einsatz preiswerter Webcams in Verbindung mit speziellen Softwarealgorithmen möglich geworden, die Effekte des Seeings teilweise zu kompensieren. Die Erfolge sind zum Teil so enorm, dass sie den direkten Vergleich mit Aufnahmen des Hubble Teleskops erlauben [4]. Der Einfluss des Beobachtungsortes auf das Seeing Neben den
atmosphärischen
Bedingungen in den hohen Luftschichten hat auch der Beobachtungsort
einen
großen
Einfluss auf das Seeing. Betrachten wir zunächst eine
größere
Stadt in einer Ebene. Städte weisen an sonnigen Tagen eine
deutlich
höhere Oberflächentemperatur als das sie umgebende Freiland
auf.
Man bezeichnet sie daher auch als Wärmeinseln. Dies führt zu
einer starken Erwärmung der Luft, die über den Städten
mehrere
hundert Meter aufsteigt [5]. Dieser Vorgang läuft bis tief in die
Nacht ab. Erst in der zweiten Nachthälfte stellt sich in
wolkenlosen,
windstillen Nächten - den so genannten Strahlungsnächten -
eine
labile Schichtung ein. Im Freiland hingegen schichtet sich die Luft
bereits
nach Sonnenuntergang entsprechend ihrer spezifischen Dichte. Die Luft
ist
hier weitaus weniger turbulent, wie in der Stadt. Die Modulations Transfer Funktion (MTF) Die Güte
einer Abbildung
hängt von dem Auflösungsvermögen (Schärfe) und dem
Kontrast des Übertragungssystems ab. Bei der Modulations Transfer
Funktion (MTF) werden beide Größen gleichzeitig
berücksichtigt.
Sie wird daher auch oft als Kontrast Übertragungs Funktion oder
kurz
als Kontrastfunktion bezeichnet. Beim Seeing handelt es sich um eine
statistische
Größe, die primär bei der Astrofotografie eine Rolle
spielt
und sich hierfür gut beschreiben lässt. Zur Beschreibung
des Seeings kann die zeitlich gemittelte MTF mit Hilfe der
Kohärenzlänge
ausgedrückt werden (Formel A2) [2]. Seeing und
Kohärenzlänge
sind über die Wellenlänge miteinander verknüpft (Formel
A3). Für eine Wellenlänge von 500 nm ergibt sich für das
Seeing von 1 Bogensekunde eine Kohärenzlänge von rund 10 cm
(siehe
Beispiel Formel A3). Bei sehr günstigen
Beobachtungsverhältnissen
kann das Seeing im Zenit Werte um 1 Bogensekunde erreichen. Für
horizontnahe
Objekte ergeben sich dann schnell Werte von 2 und mehr Bogensekunden
(siehe
Abbildung 2). Bei durchschnittlichen Beobachtungsbedingungen kann man
im
Zenit von einem Seeing zwischen 1 und 2 Bogensekunden ausgehen. In
Abbildung
3 ist die berechnete MTF für ein Seeing von 1 und 2 Bogensekunden
dargestellt. Abbildung 3 : Die MTF für ein Seeing von 1 Bogensekunde (blaue Linie) und 2 Bogensekunden (rote Linie). Aus Abbildung 3
geht deutlich
hervor, dass das maximale Auflösungsvermögen bei der
Fotografie
in der Praxis schon mit einem 4-Zoll Teleskop (Basis 10 cm) nahezu
erreicht
wird. Der Kontrast der Abbildung ist dann bereits auf 3,8 % gefallen.
Zum
Glück gilt diese Aussage nur für zeitlich gemittelte Werte
und
nicht für die visuelle Beobachtung. Doch nun
zurück zur
Praxis. Die Messung der MTF ist im Grunde recht einfach und geschieht
mit
Hilfe einer Doppellochblende, die auch als Scheinerblende bekannt ist.
Durch die Blende wird das Teleskop zu einem einfachen Fizeau
Interferometer.
Die Lichtwellen beider Öffnungen überlagern im Fokus
miteinander
und es entsteht ein typisches Interferenzmuster, dessen Streifendichte
vom Abstand der Öffnungen abhängt. Der Kontrast (Formel A4)
der
Streifen hängt von der räumlichen Kohärenz ab und diese
wiederum ist ein Maß für die MTF. Eine ausführliche
Beschreibung
eines Fizeau Interferometers findet der interessierte Leser in
[8]. Aus den Helligkeiten der Interferenzstreifen kann der Kontrast ermittelt werden. Der Kontrast kann dabei Werte zwischen 0 und 100 % annehmen. Zur Ermittlung des Kontrastes werden die Bilder nicht aufbereitet, die Hintergrundhelligkeit (Rauschen) muss berücksichtigt werden. In Abbildung 5
sind die ermittelten
Streifenkontraste als rote Punkte dargestellt. Diese können durch
eine MTF mit einer Kohärenzlänge von 16 cm am Besten
angenähert
werden (schwarze Linie). Mit einer Belichtungszeit von 1/25 Sekunden
für
ein Einzelbild ergibt sich eine Gesamtbelichtungszeit von gerade mal 4
Sekunden. Eine Kohärenzlänge von 16 cm entspricht bei einer
Wellenlänge
von 620 nm (orangerot Filter) einem Seeing von 0,80 Bogensekunden. Der
Stern Vega, der für die Messungen verwendet wurde, stand zu diesem
Zeitpunkt 17° vom Zenit entfernt. Für den Zenit ergibt sich
damit
ein Seeing von 0,78 Bogensekunden ! Längere
Belichtungszeiten
hätten zu einem schlechteren Ergebnis geführt. Dennoch lassen
sich die ermittelten Streifenkontraste bereits sehr gut für kurze
Belichtungszeiten mit der theoretisch berechneten MTF angleichen.
Abbildung 5 : Vergleich der gemessenen Kontraste (rote Punkte) mit der berechneten MTF Kurve für r0 = 16 cm (Linie), Belichtungszeit : 4 s Abbildung 6 zeigt eine Aufnahme der Region um den Mond Krater Ptolemäus, der am Rande des Terminators liegt. Bei dem Krater Arzachel ist der Zentralberg bereits sehr schön zu sehen, da er von der Sonne beschienen wird, während das Innere des Kraters noch im Schatten liegt. Auch die höchsten Bergspitzen des Kap Taenarium werden bereits sichtbar. Für dieses Bild wurden die 14 besten Einzelbilder einer kurzen Videosequenz miteinander überlagert [9]. Der Bildausschnitt beträgt etwa 900 km x 675 km. Die Brennweite der Aufnahme betrug lediglich 1500 mm wodurch sich das Seeing nicht zu stark auf die Abbildung auswirkte. Abbildung 6 : Region um den Krater Ptolemäus mit dem Vixen Newton R200SS in Verbindung mit einer Webcam. Die Brennweite wurde mit einer Barlowlinse auf 1500 mm verlängert.Auf eine Abbildung wirkt sich natürlich nicht nur die MTF der Luft aus. Jede abbildende Komponente hat ihre eigene Kontrastfunktion und auch der Empfänger überträgt die Bildinformationen auf eine bestimmte, mit Verlusten und Fehlern behaftete Weise (siehe Artikel Vixen Newton R200SS (200/800) mit Koma Korrektor). Der Kontrast des CCD Chips verschlechtert sich mit zunehmender Streifendichte des Interferograms. Die Interferogramme in Abbildung 4 sind also das Ergebnis der Übertragungskette, die sich aus Atmosphäre, Optik (2 Barlowlinsen, 1 Filterglas) und CCD-Chip zusammensetzt. Das Seeing wirkt sich auf den Kontrast der Abbildung in der visuellen und der fotografischen Astronomie völlig unterschiedlich aus und hängt maßgeblich von der Belichtungszeit ab. Für Belichtungszeiten von 4 Sekunden kann bereits die von Fried beschriebene Modulations Transfer Funktion verwendet werden um die gefundenen Kontraste zu beschreiben. Mit Hilfe von Webcams können kurzzeitbelichtete Aufnahmen angefertigt werden mit denen das Seeing quasi eingefroren werden kann. Für Einzelbilder kann somit ein Kontrast gefunden werden, der weitestgehend von der Optik und dem CCD Chip abhängt. Mein Dank gilt
allen Softwareentwicklern,
die so freundlich waren, Ihre Programme kostenlos im Internet zur
Verfügung
zu stellen. Ohne diese Programme wäre der sinnvolle Einsatz der
Videoastronomie
nicht möglich. Anhang, Formeln
Literatur
[1] A.
Glindermann und A.
Quirrenbach, Künstlicher Stern über dem Calar Alto Sterne und
Weltraum 11/1997 Seitenaufrufe
seit 1. Januar 2005 :
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