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Vixen
Newton R200SS (200/800) mit Koma Korrektor
von J.S. Schlimmer (03/2005) Die ursprüngliche Version dieses Artikels erschien bereits im Jahr 2000 im Astrolabium von Herrn Reichertz. Inzwischen besitze ich das R200SS seit 6 Jahren. Die Optik und ihre Grenzen sind mir daher wohl vertraut. Obwohl die Optik des Vixen R200SS allgemein einen sehr guten Ruf hat, kann ich diesen für mein Exemplar nicht bestätigen. Von meinen 4 Instrumenten (Vixen R200SS, Leica APO Televid 77, Vixen Achromatischer Refraktor 60/700, Nikon Fernglas 8x40) ist letztlich nur ein Teleskop im Rahmen seines optischen Designs perfekt. Und gerade diesen 60 mm Fraunhofer Refraktor benutze ich am wenigsten. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde der Artikel völlig überarbeitet. Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt bei der Betrachtung des Einflusses der Sphärischen Aberration auf die Modulations Transfer Funktion (MTF). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass eine Verallgemeinerung meiner Erfahrungen mit meinem R200SS auf andere Exemplare dieses Typs nicht möglich ist !
Abbildung 1: Vixen
Newton R200SS, seit 1999 im Einsatz Das
R200SS ist ein Newton-Teleskop der japanischen Firma Vixen mit einer
Öffnung
von 200 mm und einer Brennweite von 800 mm. Daraus resultiert ein
Öffnungsverhältnis
von 1:4. Der Vorteil dieses Teleskops liegt daher in kurzen
Belichtungszeiten
bei Fokalaufnahmen. Der Nachteil von solchen "schnellen"
Newton-Teleskopen
besteht in der systembedingten Koma. Zur Korrektur der Koma wird
serienmäßig
ein Komakorrektor mitgeliefert. Bei der visuellen Beobachtung
trägt der Komakorrektor bei mittleren und höheren
Vergrößerungen zur Verschlechterung der Abbildung auf der
optischen Achse bei. Es empfiehlt sich daher, den optionalen
Telekonverter für die visuelle Beobachtung einzusetzen und den
Komakorrektor nur für die Fotografie zu verwenden. Für Deep-Sky-Beobachtungen verwende ich bevorzugt ein Tele Vue 16-mm-Nagler-Typ 5 Okular. Dieses Okular zeigt mit 1,6° das größte Gesichtsfeld, das mit 1,25 Zoll Okularen möglich ist. Mit einer Brennweite von 800 mm ergibt sich eine 50-fache Vergrößerung. Für Doppelsternbeobachtungen verIängere ich meist die Primärbrennweite des Newtons mit Hilfe des dafür erhäItIichen Telekonverters auf 1500 mm bei Blende 7,5. Bei dieser Anordnung spielt die Koma keine große Rolle mehr, da nur der innere Bereich des Gesichtsfeldes betrachtet wird. Daher ist der Komakorrektor auch nicht gleichzeitig mit dem Telekonverter verwendbar. Durch den Telekonverter verlagert sich die Austrittspupille vom Okular weg, was bei kurzbrennweitigen Okularen ganz angenehm ist. Für höhere Vergrößerungen kommt ein 12,5 mm orthoskopisches Okular und ein 7-mm-Nagler-Typ 1 Okular zum Einsatz. Obwohl das 7-mm-Nagler Okular das gleiche Gesichtsfeld wie das 12,5 mm orthoskopische Okular zeigt, ist letzteres für Zeichnungen von Doppelsternen oft besser geeignet. Aufgrund der geringeren Vergrößerung ist die Beobachtung weniger anfällig gegenüber der Luftunruhe. Allerdings ist die visuelle Reichweite des 7-mm-Nagler Okulars aufgrund der höheren Vergrößerung deutlich größer. Es lassen sich noch lichtschwache Sterne erblicken, die mit dem Orthoskopischen Okular nicht mehr zu beobachten sind (siehe Zeichnung von 61 Cygni) a) visuelle Beobachtung Ausgangspunkt zur Herstellung eines Hauptspiegels
für ein Newton Teleskop ist in der Regel ein Kugelspiegel.
Beim Kugelspiegel sind im Wesentlichen zwei Fehler von Bedeutung :
sphärische
Aberration und Koma. Sphärische Aberration entsteht dadurch,
dass
Lichtstrahlen, die verschieden weit von der optischen Achse reflektiert
werden, verschiedene Brennpunkte besitzen. Dieser Fehler
lässt
sich durch eine Parabolisierung des Spiegels beseitigen.
Laut Prospekt wird dies beim R200SS durch gezieltes Aufdampfen der
Spiegelschicht
erreicht. Abbildung 2 : Intra- und Extrafokales Beugungsscheibchen jeweils im gleichen Abstand vom besten Fokus Abbildung 3 :
Sirius, Summenbilder über jeweils 50 Einzelbilder, links mit f/4,
rechts auf f/5 abgeblendet. Die sphärische Aberration verschwindet erst, wenn man die Öffnung auf 160 mm (f/5) abblendet. Durch das Abblenden verringert sich jedoch das theoretische Auflösungsvermögen von 0,70“ auf 0,86“ (bezogen auf eine Wellenlänge von 550 nm). Durch das Abblenden des Hauptspiegels vergrößert sich auch die Obstruktion. Diese beträgt dann bei f/5 rund 50 %. Vom zentralem Beugungsscheibchen wird das Licht stärker in den ersten Beugungsring um verteilt. Der erste Beugungsring ist daher nach dem Abblenden gut zu beobachten. Mit zunehmender Obstruktion verringert sich auch der Kontrast. Letztlich ist der Kontrast des "perfekten" f/5-Newtons mit 50 % Obstruktion genau so schlecht, wie mein f/4-Newton mit sphärischer Aberration. Der Gewinn beim Abblenden besteht einerseits in einem randscharfen Gesichtsfeld (16mm-Nagler-Typ 5 Okular), andererseits ist die Beobachtung von Doppelsternen weniger anfällig gegenüber der Luftunruhe. Generell lassen sich Doppelsterne bei f/5 mit meinem R200SS besser trennen ! In wieweit das Abblenden jedoch sinnvoll ist, muss am einzelnen Objekt überprüft werden. Der Lichtverlust von einer Blende muss insbesondere bei der Deep-Sky-Fotografie im Primärfokus berücksichtigt werden. Auch bei der visuellen Beobachtung ist die Reichweite bei f/4 mit sphärischer Aberration größer wie die des abgeblendeten Newtons. So konnte die Komponente F von Theta 1 Orionis nur mit voller Lichtstärke beobachtet werden. Nachfolgend habe ich die Punktverbreiterungsfunktion (PSF, Airy Disk) und die Modulations Transfer Funktionen für einen perfekten f/4-Newton mit 35 % Obstruktion und einen perfekten f/5-Newton mit 50 % Obstruktion berechnet [1] : Abbildung 4 : Punktverbreiterungsfunktion und Modulations Transfer Funktion MTF für ein perfektes 8-Zoll-Teleskop mit a) f/4 mit 35 % Obstruktion (oben) und b) f/5 mit 50 % Obstruktion (unten) [1] Verlängert man die linearen Bereiche der MTF Kurven bis zum Schnittpunkt des normierten Auflösungsvermögen (x-Achse), so ergibt sich ein realistischer Vergleich zwischen der Kontrastübertragung (MTF) des R200SS und einem perfekten Refraktor (langbrennweitiger Fraunhofer oder kurzbrennweitiger APO Refraktor) für kleine bis mittlere Vergrößerungen. So gesehen entspricht der Kontrast eines perfekten R200SS in etwa dem eines 120 mm Refraktors (Schnittpunkt bei 0,6), der Kontrast des auf f/5 abgeblendeten R200SS entspricht dem eines 80 mm Refraktors (Schnittpunkt bei 0,4) ! Diese Überlegung stimmt mit meinen Erfahrungen bei der Beobachtung von kontrastschwachen Objekten (Planeten, Mondoberfläche) überein. Selbstverständlich macht sich die Luftunruhe bei Refraktoren nicht so stark bemerkbar wie bei Newton-Teleskopen, da letztere eine größere Öffnung für die gleiche Kontrastübertragung benötigen und somit anfälliger gegenüber dem Seeing sind (vergleiche Abbildung 4 in Wie gut muß das Seeing sein ?). Bei der Beobachtung von Doppelsternen ist dieser Vergleich nicht mehr zutreffend. Hier spielt der f/5-Newton sowohl sein höheres Lichtsammelvermögen als auch sein höheres Auflösungsvermögen gegenüber einem 80 mm Refraktor aus. b) Deep-Sky-Fotografie Wie
wirkt sich nun die sphärische Aberration auf die
Deep-Sky-Fotografie
im Primärfokus aus ? Für die Deep-Sky-Fotografie wird der
Kodak
E200 als Empfänger verwendet. Es müssen daher die Modulations
Transfer Funktionen des Filmmaterials und des R200SS gemeinsam
betrachtet
werden. Da ein Film aus drei unterschiedlichen Farbschichten aufgebaut
ist und jede Farbschicht eine eigene MTF hat, beziehen sich die
nachfolgenden
Betrachtungen auf rote Objekte, wie sie bei der Fotografie von
Wasserstoffnebel
vorliegen. Abbildung 3 zeigt die Modulations Transfer Funktionen des
Kodak E200.
Abbildung 5 : Die
Modulations Transfer Funktion für den Diafilm Kodak E200 [2] MTF = 72% für Objekte mit 8,6“ Durchmesser Wir erhalten das Ergebnis in dem wir die Kontraste für Film und Teleskop miteinander multiplizieren : 1. Durchmesser von 8,6“ : MTF (Abbildung) = MTF (Film) x MTF (R200SS f/4) = 41%2. Durchmesser von 3,2“: MTF (Abbildung) = MTF (Film) x MTF (R200SS f/4) = 5%In der Deep-Sky-Fotografie macht sich die fehlerhafte Optik gerade in der Darstellung der feinsten Details bemerkbar. Diese werden lediglich mit einem Kontrast von 3% statt eines Kontrastes von 5 % abgebildet ! Bei Objekten mit niedriger Ortsfrequenz wirkt sich das Abblenden hingegen weniger auf den Kontrast aus. Diese Überlegung entspricht auch der allgemeinen Erfahrung : die Struktur mit der niedrigsten Ortsfrequenz ist der Himmelshintergrund. Er lässt sich auch mit einer völlig dejustierten Optik perfekt ablichten (Kontrast =1) ! Koma
entsteht immer dann, wenn Lichtstrahlen schräg durch eine Linse
fallen
oder schräg auf einen Spiegel treffen. Die Bildmitte ist nur dann
frei von Koma, wenn der Spiegel exakt senkrecht zur optischen
Achse liegt. Daher ist die
Justierung eines kurzbrennweitigen Newtons so wichtig
(auch die Abbildung eines SC's ist komabehaftet,
allerdings
werden hier alle außerachsialen Lichtstrahlen, die zur Koma
beitragen
durch das "Buffle" ausgeblendet, wodurch die starke Vignettierung der
SC's
entsteht). Abbildung 6 : Aufnahme a) ohne Komakorrektor und b) mit Komakorrektor Da die Koma besonders stark in den Bildecken auftritt, ist in Abbildung 4 nur ein Ausschnitt der Aufnahme dargestellt. Deutlich ist die Koma auf dem linken Bild zu erkennen. Auf der rechten Bildhälfte ist kein Koma mehr zu sehen, allerdings ist die Nachführung nicht ganz korrekt. Unter Vignettierung versteht man einen Helligkeitsabfall zum Bildrand hin. Die Vignettierung gehört im Gegensatz zur Koma nicht zu den optischen Fehlern. Da die natürliche Vignettierung von Linsen beim Newton-Teleskop keine Rolle spielt, möchte ich mich hier auf die Art der Vignettierung beschränken, die entsteht, wenn sich z. B. mechanische Bauteile im Strahlengang befinden. Die häufigste Ursache für die Vignettierung bei Newton-Teleskopen ist ein zu kleiner Sekundärspiegel. Beim R200SS betragen die Durchmesser der beiden Achsen 97 mm und 69 mm. Fertigt man eine maßstabsgerechte Zeichnung des Strahlenverlaufs an, so stellt man fest, dass die Größe des Sekundärspiegels an die axialen Strahlen angepasst ist. Diese werden vignettierungsfrei zum Okular reflektiert. Anders sieht der Sachverhalt für die außerachsialen Strahlen aus. Zur vignettierungsfreien Ausleuchtung des Kleinbildformates müsste der Sekundärspiegel eine Größe von 124 mm x 88 mm haben, wenn alle Strahlen zur Ausleuchtung der Kleinbilddiagonale beitragen sollen. Dies würde aber eine Obstruktion der Öffnung von 88 mm bedeuten, d. h. 44 % des Durchmessers der Öffnung wären durch den Sekundärspiegel beschattet. Hier hat man einen Kompromiss zwischen der Erhaltung des Kontrastes (visuell) und der gleichmäßigen Ausleuchtung des Bildfeldes (fotografisch) gemacht. Im Zusammenhang mit einer gleichmäßigen Ausleuchtung des Kleinbildformates spielt der Offset des Sekundärspiegels eine große Rolle. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass der Offset beim R200SS bereits konstruktiv berücksichtigt wurde. Neben dem zu kleinen Sekundärspiegel trägt auch der T2-Adapter zur Vignettierung bei. So erhält man mit aufgeschraubtem T2-Adapter einen freien Durchmesser von 38 mm, die Kleinbilddiagonale hingegen mißt hingegen 43,3 mm. Für das R200SS gibt es daher noch einen speziellen T2-Ring. Dieser bewirkt eine sichtbare Verringerung der Vignettierung.
4. Bisheriger Einsatz des R200SS Das R200SS wurde ursprünglich für die Astrofotografie von Deep Sky Objekten gekauft. Viele intergallaktische Objekte lassen sich aufgrund ihrer Objektgröße und Helligkeit mit kurzen Belichtungszeiten von 5 bis 10 Minuten aufnehmen. Als Beispiel ist hier eine Aufnahme von M8, dem Lagunen Nebel im Sternbild Schütze dargestellt. Neben der Optik kommt es bei diesem Objekt auf einen möglichst dunklen Himmel an, da sonst die Gefahr besteht, dass der Kontrast durch die Lichtverschmutzung stark gemindert wird. Abbildung 7 : Der Lagoon Nebel M8, 5 Minuten auf Kodak E200 belichtet (Entwicklung um eine Blende gepusht) Aufnahmeort : Stumpertenrod, 10. ITV, 25.05.2001 Inzwischen haben sich in der Deep-Sky-Fotografie neue Techniken im Amateurbereich etabliert (CCD Aufnahmen im LRGB Komposit Verfahren), deren Ergebnisse noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären. Der große Vorteil dieser Technik besteht in der natürlicheren Farbwiedergabe der Objekte. Herkömmliche Filme sind hierzu aufgrund ihrer blau-grün Farblücke nicht in der Lage. Inzwischen hat sich das Einsatzgebiet meines R200SS von der Deep-Sky-Fotografie zur Doppelsternbeobachtung geändert. Durch den wesentlich größeren Abbildungsmaßstab der Webcam in Verbindung mit dem Telekonverter, ist es möglich geworden, auch Doppelsterne aufzuzeichnen. Nähere Informationen über dieses Einsatzgebiet sowie Ergebnisse finden Sie im Menü Doppelsterne. Aufgrund der sehr guten spektralen Empfindlichkeit der Philips ToU Webcam konnten in Verbindung mit einem Blaze-Gitter inzwischen auch Sternspektren mit niedriger Auflösung aufgezeichnet werden.
5. Zusammenfassung und Bewertung Im visuellen
Einsatz hat
sich gezeigt, dass die maximale Abbildungsqualität meines
R200SS
dem eines perfekten f/5-Newtons mit 50 % Obstruktion entspricht. Der
Kontrast
ist bei niedrigen bis mittleren Vergrößerungen mit dem
eines
80 mm APOs vergleichbar. Beobachtungen am Planeten bestätigen
diesen Vergleich. Dabei sollte mann berücksichtigen, dass
sich beim 80 mm Refraktor das Seeing nicht so stark bemerkbar macht wie
bei einer 200 mm Öffnung. Quellennachweis [1] Die PSF und die MTF Kurven wurden mit dem Programm Aberrator, Version 2.53 berechnet, http://aberrator.astronomy.net/ [2] Kodak Professional EKTACHROME, E100S, E100SW, E100VS und E200, Informationen für Professionals und Amateure, Technische Daten [3] Erwin Wiedmann, Verfeinerte Optiken für Astroamateure, Sterne und Weltraum 11/1976 Seitenaufrufe seit 1. April 2005 :
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