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Doppelsterne
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Inhalt:
  • Eigenbewegung der Fixsterne
  • Relative Eigenbewegung bei optischen Doppelsternen
  • Darstellung im Diagramm
  • Zeitinvariante Darstellung
  • Zeitabhängige Darstellungen
  • Ursachen der Eigenbewegung


Edmund Halley
(1656-1742)



Immanuel Kant
(1724-1804)



Jerome Lalande
(1732-1807)



Wilhelm Herschel
(1738-1822)



Friedrich W. A.
Argelander (1799-1875)




Jan Hendrik Oort
(1900-1992)


Über die Eigenbewegung der Sterne

(J.S.Schlimmer 2/2009, völlig überarbeitet 02/2020)

Die Entdeckung der Eigenbewegung der Fixsterne

Der englische Astronom Edmund Halley entdeckte im Jahre 1717 anhand von Positionsvergleichen antiker Sternkataloge mit eigenen Beobachtungen die Eigenbewegung einiger heller Fixsterne [1]. Diese Entdeckung war nur aufgrund des sehr großen Zeitabstandes zwischen diesen Beobachtungen möglich, da sich die jährliche Eigenbewegung nur im Bogensekundenbereich bewegt. Die Eigenbewegung beschreibt lediglich die relative Bewegung der Fixsterne als Projektion auf der Himmelskugel in Rektaszension und Deklination. Die Sterne bewegen sich aber auch auf uns zu oder von uns weg. Diese Bewegungskomponente wird durch die Radialgeschwindigkeit beschrieben. Die Radialgeschwindigkeit kann spektroskopisch anhand der Rotverschiebung bestimmt werden.


Relative Eigenbewegung bei optischen Doppelsternen


Die Beobachtung der Eigenbewegung ist eng mit der Doppelsternbeobachtung verbunden. Der Grund hierfür sind sogenannte optische Doppelsterne, die meist aus einem hellen Vordergrundstern und einem dunkleren Hintergrundstern bestehen, die nicht physisch aneinander gebunden sind. In der Regel wird der hellere Vordergrundstern aufgrund seiner kürzeren Distanz zu uns eine größere scheinbare Bewegung haben, wie der weiter entfernte Hintergrundstern. Daher lässt sich die relative Bewegung zwischen beiden leicht beobachten. Diese Methode der Beobachtung der relativen Eigenbewegung war es, die der Mannheimer Astronom Christian Mayer für sich als Entdeckung beanspruchte, deren Veröffentlichung dann 1777 zu einem erbitterten Streit mit dem Wiener Astronomen Maximilian Hell führte.

Für die Darstellung im Kartesischen Koordinatensystem müssen die Polarkoordinaten (Abstand, Positionswinkel) umgerechnet werden. 
Damit die Darstellung der Beobachtungsdaten in Excel entsprechend der üblichen Konvention der Doppelsternbeobachtung entspricht, wird eine Winkelkorrektur durchgeführt :



dabei liegt 0° auf der -y-Achse, 90° auf der X-Achse. Gegenüber der mathematischen Norm ist der Positionswinkel bei Doppelsternangaben um -90° verschoben. Für die Transformation der Polarkoordinaten in Kartesische Koordinaten gilt :



Die Winkel müssen in Excel im Bogenmaß angegeben werden !



Darstellung der Doppelsterne und der Eigenbewegung im Diagramm

Die Himmelsrichtungen sind jeweils an der horizontalen und der vertikalen Achse gespiegelt. Die Ansicht entspricht der in einem Newton Teleskop. Bei ausgeschalteter Nachführung läuft der Stern von rechts nach links durch das Bildfeld.
  • Norden : unten
  • Osten : rechts
  • Süden : oben
  • Westen : links
Für die Beschreibung der Eigenbewegung gelten folgende Konventionen :
  • nach Osten -> positiver Betrag Eigenbewegung in R.A.
  • nach Westen -> negativer Betrag Eigenbewegung in R.A.
  • nach Süden -> negativer Betrag Eigenbewegung in Deklination
  • nach Norden -> positiver Betrag Eigenbewegung in Deklination
Nachfolgendes Diagramm verdeutlicht alle Konventionen anhand von Mayer 11 über einen Zeitraum von 1778 bis 2007. Die Eigenbewegungen betragen -9,4/-5,5 Millibogensekunden/Jahr für Komponente A und -9,9/-5,1 Millibogensekunden/Jahr für Komponente B. Da die Eigenbewegung beider Komponenten sehr ähnlich ist, ändern sich weder Abstand noch Positionswinkel merklich.



Abbildung 1: Eigenbewegung für Mayer 11 zwischen 1778 und 2007



Zeitinvariante Darstellung


Die Eigenbewegung wird als xy -Plot dargestellt. Diese Art der Darstellung ist weit verbreitet und berücksichtigt Distanz und Winkel. Signifikante Messfehler fallen hierbei schnell auf. Die Zeit ist als Parameter nicht direkt ablesbar. Sie kann gegebenenfalls als Kommentar zu den Beobachtungsdaten hinzugefügt werden. Als Beispiel ist hier die Eigenbewegung von Delta Herculis dargestellt. Herschels Beobachtung aus dem Jahre 1779 weicht dabei deutlich von der extrapolierten Ausgleichsgeraden ab.



Abbildung 2: Eigenbewegung von Delta Herculis als xy-Plot


Zeitabhängige Darstellungen

Man kann die Eigenbewegung auch direkt über der Zeit auftragen. Allerdings benötigt man hierfür 2 getrennte Diagramme, da die Richtung im Betrag der Eigenbewegung nicht enthalten ist. Der Vorteil der zeitabhängigen Darstellung besteht darin, dass der Betrag der Eigenbewegung gleich der Steigung der Geraden ist. In dieser Darstellungsform werden signifikante Messfehler nicht so leicht erkannt, wie man aus den Beispielen von d Herculis erkennt. Da die größte scheinbare Annäherung zwischen Delta Herculis und dem Hintergrundstern um das Jahr 1964 erfolgte, ändert sich die Steigung der Geraden (theoretisch) sprungartig. Neben der Distanz muss zusätzlich auch der Winkel über der Zeit aufgetragen werden. Der Punkt mit der größten Steigung zeigt gleichzeitig den Zeitpunkt der scheinbar größten Annäherung an.



Abbildung 3:
Scheinbare Distanz und Winkel zwischen Delta Herculis AB über der Zeit

Die Eigenbewegung der Sterne hat verschiedene Ursachen. Um diese Ursachen im Einzelnen zu verstehen, ist es notwendig das Gebiet der Doppelsternbeobachtung zu verlassen und tief in das Zentrum unseres Milchstraßensystems zu blicken.


Ursachen der Eigenbewegung

Friedrich Wilhelm Herschel untersuchte bei seinen Himmelsdurchmusterungen in den Jahren 1779–1783 unter anderem auch die Eigenbewegung der Fixsterne. Er stützte seine Untersuchungen dabei auf eine Tabelle von Jerome Lalande, die die Eigenbewegung von 12 Sternen in den letzten 50 Jahren beinhaltete. Zusätzlich berücksichtigte Herschel auch die Eigenbewegung von Regulus und Castor. Diese 14 Sterne projizierte er auf eine Himmelskugel und fand heraus, dass sich alle Sterne - mit Ausnahme von Beta Cygni, Epsilon Cygni und Gamma Arietis - auf einen gemeinsamen Punkt hin zu bewegen, der nahe dem Stern Lambda Herculi liegt. Anhand dieser zielgerichteten Bewegung schloss Herschel auf eine (absolute) Eigenbewegung unseres Sonnensystems [2]. Demnach handelt es sich bei dem Phänomen der Eigenbewegung der Fixsterne zunächst um eine scheinbare Bewegung, die durch eine absolute Bewegung unseres Sonnensystems hervorgerufen wird. Den 3 Sternen, deren Bewegung nicht auf Lambda Herculi gerichtet ist, schrieb Herschel eine echte „eigene Bewegung“ zu.


Abbildung 4: Scheinbare Eigenbewegung der Sterne Arcturus, Sirius, Beta Cygni, Procyon, Eps Cygni, Gamma Arietis, Gamma Geminorum, Aldebaran, Beta Geminorum, Gamma Piscis, Alpha Aquilae, Alpha Geminorum [2]

In den Jahren 1838 -1840 untersuchte Friedrich Wilhelm August Argelander anhand der Eigenbewegung von 590 Fixsternen ebenfalls die eigene Bewegung des Sonnensystems. Er teilte die Sterne entsprechend ihrer unterschiedlichen scheinbaren Helligkeiten in drei verschiedene Klassen ein, für die er jeweils den Schnittpunkt der Bewegungsrichtungen bestimmte. Seine Untersuchungen führten Argelander etwa zu dem gleichen Punkt, den bereits Herschel ermittelt hatte [3]. Somit war die Eigenbewegung unseres Sonnensystems eindeutig bestimmt. Im nächsten Abschnitt wird auf diese Eigenbewegung näher eingegangen.


Die differentielle Rotation der Milchstraße

Neben der Eigenbewegung des Sonnensystems muss natürlich auch die Bewegung unsere Milchstraße berücksichtigt werden. Bereits Immanuel Kant ging davon aus, dass es sich bei der Milchstraße um eine Scheibenförmige Struktur handelt, die sich um einen Zentralkörper dreht:

Herr Wright von Durham, dessen Abhandlung ich aus den Hamburgischen freien Urtheilen vom Jahr 1751 habe kennen lernen, hat mir zuerst Anlass gegeben, die Fixsterne nicht als ein ohne sichtbare Ordnung zerstreutes Gewimmel, sondern als ein System anzusehen, welches mit einem planetischen die grösste Ähnlichkeit hat, so dass, gleichwie in diesem die Planeten sich einer gemeinschaftlichen Fläche sehr nahe befinden, also auch die Fixsterne sich in ihren Lagen auf eine gewisse Fläche, die durch den ganzen Himmel muss gezogen gedacht werden, so nahe als möglich beziehen und durch ihre dichteste Häufung zu derselben denjenigen lichten Streif darstellen, welcher die Milchstrasse genannt wird. Ich habe mich vergewissert, dass, weil diese von unzähligen Sonnen erleuchtete Zone sehr genau die Richtung eines grössten Zirkels hat, unsere Sonne sich dieser grossen Beziehungsfläche gleichfalls sehr nahe befinden müsse.

Die Entstehung des Zentralpunktes stellte sich Kant folgendermaßen vor:

Wenn demnach ein Punkt in einem sehr grossen Raume befindlich ist, wo die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente stärker als allenthalben um sich wirkt: so wird der in dem ganzen Umfange ausgebreitete Grundstoff elementarischer Partikeln sich zu diesem hinsenken. Die erste Wirkung dieser allgemeinen Senkung ist die Bildung eines Körpers in diesem Mittelpunkte der Attraction, welcher so zu sagen von einem unendlich kleinen Keime in schnellen Graden fortwächst, aber in eben der Masse, als diese Masse sich vermehrt, auch mit stärkerer Kraft die umgebenden Theile zu seiner Vereinigung bewegt. Wenn die Masse dieses Centralkörpers so weit angewachsen ist, dass die Geschwindigkeit, womit er die Theilchen von grossen Entfernungen zu sich zieht, durch die schwachen Grade der Zurückstossung, womit selbige einander hindern, seitwärts gebeugt, in Seitenbewegungen ausschlägt, die den Centralkörper vermittelst der Centerfliehkraft in einem Kreise zu umfassen im Stande sind: so erzeugen sich grosse Wirbel von Theilchen, deren jedes für sich krumme Linien durch die Zusammensetzung der anziehenden und der seitwärts gelenkten Umwendungskraft beschreibt (…)“ [4].

Es sollte jedoch noch rund 170 Jahre dauern bis der holländische Astronom Jan Hendrik Oort die Rotation der Milchstraße anhand der 21 cm Linie des Wasserstoffs radioastrometrisch nachweisen konnte. Bei der Rotation der Milchstraße handelt es sich um eine sogenannte differentielle Rotation, d.h. die Winkelgeschwindigkeit hängt von der Entfernung zum Zentrum ab.

Die Ursache der Eigenbewegung der Fixsterne hat also verschiedene Ursachen :
  • Bewegung unseres Sonnensystems (Bezugssystem)
  • Differentielle Rotation unserer Milchstraße
  • Absolute Bewegung der Fixsterne





Siehe auch:

Artikel : Common Proper Motion Pairs
Doppelsterne und Sternpaare aus Max Wolfs "Katalog von 1053 stärker bewegten Fixsternen" (1919) sowie aus nachfolgenden Arbeiten Wolfs (1920-1929)




Literatur
 
[1] Edmund Halley, Considerations on the Change of the Latitudes of Some of the Principal Fixt Stars, Philosophical Transactions, Volume 30, Seite 736-738
[2] Wilhelm Herschel, On the proper Motion of the Sun and Solar System; with an Account of serveral Changes that have happened among the fixed Stars since the Time of Mr. Flamstead, Philosophical transactions of the Royal society of London, 1783 Vol. 73
[3] Wilhelm Friedrich August Argelander, Über die eigene Bewegung des Sonnensystems, Astronomische Nachrichten Nr. 363, 1839
[4] Immanuel Kant, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt., Verlag Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig, 1755
[5] J.H. Oort, Observational evidence confirming Lindblad's hypothesis of a rotation of the galactic system, Bulletin Of The Astronomical Institutes Of The Netherlands, Vol. 3 No. 120, 14. April 1927
[6] J.H. Oort, Investigations concerning the rotational motion of the galactic system, together with new determinations of secular parallaxes, precession and motion of the equinox,
Bulletin Of The Astronomical Institutes Of The Netherlands, Vol. 4 No. 132, 7. September 1927