www.epsilon-lyrae.de
zur Startseite zurück
Doppelsterne
Datenschutzerklärung
Kontakt



Gedenkmedaille mit dem
Portrait Mayers [9]




Christian Mayer und die Fixsterntrabanten

Stichworte :
Christian Mayer, Maximilian Hell, Fixsterntrabanten, Eigenbewegung, Doppelsterne, Prioritätenstreit, Gründliche Verteidigung


Der Mannheimer Astronom Christian Mayer

von J.S.Schlimmer (4/2006, überarbeitet 01/2013)

Christian Mayer wurde am 20. August 1719 in Mederitz (Mähren) geboren. Nach einem Studium der Theologie in Mainz arbeitete er zunächst als Lehrer in Aschaffenburg. Im Jahre 1751 wurde er als Professor für Philosophie an die Universität Heidelberg berufen. Ein Jahr später wechselte er den Lehrstuhl und unterrichtete das neu gegründete Fach experimentelle Physik.
 

Bei einem Studienaufenthalt in Paris lernte er die dortigen Astronomen Nicolas Louis de Lacaille, Joseph-Jerome de Lalande und Cesar Francois Cassini kennen, die ihn im Gebrauch astronomischer und geodätischer Instrumente unterrichteten.

Mayers erste astronomische Arbeiten begannen mit dem Venustransit 1761, den er vom schwetzinger Schlossgarten aus beobachten wollte. Schlechtes Wetter verhinderte jedoch jede Beobachtung. Zwei Jahre später 1763 wurde Christian Mayer vom Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor zum kurfürstlichen Astronomen ernannt.

Den zweiten Venustransit im Jahre 1769 beobachtete Mayer von Sankt Petersburg aus. Seine Rückreise nach Mannheim führte ihn über verschiedene Städte, in denen er die dortigen Sternwarten besuchte. In Kassel traf er sich Ende August mit Johann Matthias Matsko, Professor für Mathematik und Astronomie. Man geht heute von einem intensiven Gedankenaustausch zwischen Mayer und Matsko aus, denn bereits zehn Tage nach Mayers Besuch in Kassel schlug Matsko dem Landgrafen zu Kassel vor, das Observatorium vom Palais Bellevue wieder in den alten Zwehrenturm zu verlegen. Andererseits gleicht wiederum die später erbaute Sternwarte in Mannheim dem Kasseler Zwehrenturm (siehe Abbildung 2a und 2b) [7]. Tatsächlich ist keine der anderen von Mayer besuchten Sternwarten (Helsinki, Stockholm Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, Hannover, Göttingen) dem mannheimer Sternwartenturm mehr ähnlich.

In Mannheim angekommen setzte er sich für die Gründung einer Sternwarte in Mannheim ein, aus der letztlich die heutige Landessternwarte in Heidelberg hervorging. Im Januar 1775 konnte Christian Mayer die neue Sternwarte beziehen. Bereits ein Jahr zuvor wurde bei John Bird, einem der bekanntesten Instrumentenbauer der damaligen Zeit, ein 8-füssiger Mauerquadrant in Auftrag gegeben. Mit diesem Instrument bestimmte Mayer ab 1776 die Kulminationshöhen der Sterne und beobachtete als erster systematisch Doppelsterne. Im Zusammenhang mit Mayers Sternwarte möchte ich noch auf einen prominenten Besucher in jener Zeit verweisen : W.A.Mozart.

Christian Mayer starb am 16. April 1783 in Mannheim. Anlässlich seines Todes wurde sein Portrait auf der Vorderseite einer Medaille abgedruckt. Die Inschrift lautet :"CHRISTIAN MAYER SEL PAL BAV ASTRONOM & PROF ASTR HEID".



Abbildung 1 : Stich der Mannheimer Sternwarte von 1811 [2], das Original befindet sich im Landesmuseum für Arbeit und Technik in Mannheim


 

Abbildung 2 : Vergleich zwischen a) Mannheimer Sternwarte, Foto: JS Schlimmer 03/2011 und b) Zwehrenturm in Kassel [8]

Der Streit zwischen Christian Mayer und Maximilian Hell um die Fixsterntrabanten

Am 17. Oktober 1777 stellte Mayer seine Beobachtungen der Kurfürstlichen Akademie der Wissenschaften in Mannheim vor. Wenige Tage später berichtete die Mannheimer Zeitung von Mayers Entdeckungen : "(...) Der kurfürstliche Hofastronom, Herr Professor Mayer, lase demnach eine lateinische Abhandlung über 100 neu bemerkte Trabanten verschiedener Fixsternen, welche seit dem 30. Jänner des verwichenen Jahres bis zum 14. des jetzt verwichenen Herbstmonats von ihm und seinem Herrn Adjunkten, Johann Mezger, allhier entdeckt worden sind. Aus dem Beispiele des Arcturus und seines Trabanten, wie auch anderen unumstößlichen Gründen, wurde zu gleich erwiesen, daß man zur Aufklärung der annoch so dunklen Kenntnis der eigenen Bewegung der Fixsterne mittelst solcher Beobachtungen in 10 Jahren weiter, als durch andere bisher gemachte hundertjährige Versuche, fortschreiten könne".

Auch in Wien berichteten die Zeitungen von dieser Entdeckung. Am 8. November 1777 erschien daraufhin ein Aufsatz von Maximilian Hell, dem Direktor der Wiener Sternwarte im Wiener Diarium Nro. 90 (siehe Abbildung 3). Hell kritisierte darin den Begriff Fixsterntrabant, da hieraus nicht hervorgehe "ob es wirkliche Trabanten sind, wie z. B. die Trabanten Jupiters, oder des Saturns, die sich um ihren Hauptplaneten herum bewegen, und daher Nebenplaneten genannt werden ? Oder ob die mayerischen Trabanten Planeten sind, die sich um einen Fixstern (gleich wie unsere Planeten um die Sonne) bewegen (...)".
Des Weiteren schrieb Maximilian Hell, dass Mayers Entdeckung gar nicht neu sei, sondern schon zu Zeiten Tychos bekannt war und dass er [Hell] selbst schon im Jahre 1758 an 13 Sternen solche Begleiter wahrgenommen habe. Er erläuterte : "(...) Des Herrn Mayer Trabanten sind demnach keine Nebenplaneten, sondern es sind kleine Fixsterne, die man nahe bei einem anderen Fixsterne beobachtet, so wie Arcturus einen hat, und derer wohl mehr als hundert durch die Seheröhre, oder wohl auch durch scharfe bloße Augen wahrgenommen werden, die man aber nicht Trabanten (...) sondern Nebensterne nennt, weil sie wahre Fixsterne und keine Planeten sind, weil sie nur aus optischen Ursachen beisammen zu stehen scheinen, und ihrem wahren Stande nach vielleicht weiter von einander entfernt sind, als der Hundsstern Sirius von unserer Sonne; dergleichen Sterne scheinen nur beisammen zu sein auf jene optische Art, wie Bäume in einem Walde, die doch voneinander sehr weit entfernt stehen (...)". Auch die Entdeckung der gegenseitigen Lageänderung, so Maximilian Hell, sei nicht neu : "(...) vor mehr als hundert Jahren, beobachtete schon Tycho einige Veränderungen an gewissen Sternen der Lage gegen einander, die aus keiner optischen Ursache von der Bewegung unserer Erde in ihrer Laufbahne erklärt werden konnte (...)". Hell erklärte, das einzig Neue an Mayers Nachricht wäre demnach lediglich die Menge der Sterne, bei denen Mayer diese Bewegungen gefunden hat. Mayer solle doch ein Verzeichnis zusammenstellen, damit andere Astronomen selbst nachsehen können.



Abbildung 3 : Titelblatt des Wiener Diarium vom 8. November 1777 [6]

Mayers "Entdeckung" bezog sich auf eine neue Methode die Eigenbewegung von Fixsternen anhand von dicht beieinander stehender Sterne (optische und physische Doppelsterne) zu untersuchen, während Hell von dem eigentlichen Phänomen der Eigenbewegung schrieb. Diese war natürlich schon längst bekannt.  Zwischen beiden Astronomen lag also ein Missverständniss vor.
Mayer erkannte dieses Missverständnis jedoch nicht und fühlte sich von Hells Kritik und der Aberkennung der Priorität seiner Entdeckung persönlich beleidigt. Ein weiterer Streitpunkt war der Begriff des Trabanten. Wörtlich übersetzt bedeutet Trabant "Begleiter". Insofern war Hells Frage, was Mayer denn nun mit diesem Begriff verstehe, durchaus berechtigt.

Am 20. und am 24. November 1777 erschienen in der Mannheim Zeitung zwei öffentliche Briefe an Maximilian Hell. Der Verfasser dieser Beiträge wurde nicht genannt, doch es ist klar, dass es Mayer war, der diese Artikel verfasste. Mayer kritisierte Hell, dass dieser voreilig und ohne genaue Kenntnis über den Inhalt im Wiener Diarium eine Kritik schrieb. Danach verteidigte Mayer den Begriff Trabant : "(...) Jedermann versteht genug durch das Wort Trabant, so oft die Rede vom Sternreiche ist, einen kleinen Stern, so den größeren begleitet; hingegen kann das von Herrn Hell neu vorgeschlagene Wort Nebenstern diesen Sinn ohnmöglich haben (...)“. Anschließend gab Mayer wieder, was er unter seinem Begriff Fixsterntrabanten verstand : "Die zu Mannheim bemerkte 100 Fixstern Trabanten hingegen erscheinen meistens nur bei einem sehr heiteren Himmel, und mittelst der fürtrefflichsten Seherohren; erfordert aber Herr Hell zum wesentlichen eines Trabanten, daß er eine wandelbare Stellung gegen seinen Hauptstern nehme, so ist schon erwiesen, daß einige dieser Fixstern Trabanten ihre Lage gegen den Hauptstern wirklich geändert haben und annoch ändern (...)". Im weiteren Verlauf des Artikels erläuterte Christian Mayer was er sich von seinen Entdeckungen erhoffte : "(...) daß die Fixsterntrabanten das beste Mittel an die Hand geben, die eigene Bewegung der Fixsterne in kurzer Zeit weit besser zu erforschen, als bisher durch die bekannte astronomische Methode geschehen ist (...)". Zum Schluss forderte er Hell auf zu beweisen, dass "(...) Tycho jemals an diesen Satz gedacht habe [Mayer meinte anhand der Trabanten die Eigenbewegung erforschen zu können], und ob Hell schon 1759 davon an die Pariser Akademie geschrieben [habe] (...)".

Maximilian Hell kam dieser Aufforderung am 10. und am 13. Dezember 1777 im Wiener Diarium nach, bezog seinen Artikel jedoch nicht auf die "Methode" zur Untersuchung der Eigenbewegung sondern auf diese selbst. Von Mayers Aufforderung beleidigt, griff Hell den "unbekannten Verfasser" an bevor er anschließend Tycho Brahes Beobachtungen und seine eigenen Beobachtungen, die er bereits 1758 der französischen Akademie mitteilte, darlegte. Mayer sah in dieser Darstellung seine Idee jedoch nicht bestätigt und hielt somit die Behauptungen Hells weiterhin für falsch (Mannheimer Zeitung, 22. Dezember 1777).
Letztlich vertrat jeder seine Meinung und der Streit wurde nie beigelegt.

Ich habe die Wiedergabe des Streits zwischen beiden berühmten Astronomen in aller Kürze auf die sachliche Ebene reduziert. Die persönlichen Angriffe und Beleidigungen wurden hier nicht zitiert. Dennoch sei angemerkt, dass gerade diese persönlichen Angriffe Mayer dazu veranlassten, seine Ideen in Form eines Buches zu verteidigen.


"Gründliche Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixsterntrabanten"

Durch den Streit mit Hell sah sich Christian Mayer genötigt, seine Ansichten in Form eines Buches zu veröffentlichen. Dieses erschien 1778 unter dem Titel "Gründliche Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixsterntrabanten, welche zu Mannheim auf der kurfürstlichen Sternwarte entdeckt worden sind." (270 kB).



Abbildung 4 : Titelblatt aus Mayers Buch "Gründliche Vertheidigung (...)" [3], Foto : J.S.Schlimmer 3/2006

Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt, dem "Eingang", beschrieb Mayer die Streitigkeiten mit Hell. Darin befinden sich auch Abschriften der oben genannten Zeitungsartikel. Der zweite Abschnitt handelt "Von der Neuigkeit, Wahrheit und Wichtigkeit der Mannheimer Ankündigung". In diesem Teil des Buches beschrieb er unter anderem seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Der dritte Abschnitt befasst sich mit "..den Gegengründen und verschiedenen Einwürfen wider das Dasein der Fixsterntrabanten wie auch von dem irrigen Begriffs des Hrn. Hell über die Mannheimer Ankündigung". In diesem Teil des Buches erklärte Mayer den Zusammenhang zwischen scheinbarer Helligkeit, Durchmesser und Entfernung der Fixsterne. Ferner erläuterte er auch den 8-füssigen Mauerquadranten (170 kB) und dessen Gebrauch. Der Name seines Widersachers ist beinahe auf jeder Seite zu finden.


Die Eigenbewegung der Fixsterne und die Entdeckung der physischen Doppelsterne

Direkt nach der Aufstellung des Mauerquadranten im Januar 1776 begann Christian Mayer mit seinen Beobachtungen. Innerhalb von zwei Jahren führte er zusammen mit seinem Assistenten Johann Mezger (1735 - 1780) nach eigenen Schätzungen etwa 6000 Beobachtungen durch. Dabei fand er immer wieder nahe beisammen stehende Sterne, die bislang nicht in den Sternregistern von de la Caille, Bradley und Tobias Mayer aufgeführt waren. Durch diese Sterne kam Mayer auf die Idee, das zur damaligen Zeit immer noch unverstandene Phänomen der Eigenbewegung der Fixsterne leichter untersuchen zu können, indem er lediglich die Relativbewegung zwischen den beiden benachbarten Sternen betrachtete.

Bislang hatte man die Eigenbewegung einiger weniger Fixsterne aus der Bestimmung der absoluten Sternposition ermittelt, was einerseits sehr aufwendig und andererseits sehr fehlerhaft war. Diese Methode setzte zwangsläufig sehr große Beobachtungszeiträume voraus, wobei die Präzession der Erdachse berücksichtigt werden musste. Des Weiteren verfälschte auch die Aberration des Lichtes und die Refraktion der Erdatmosphäre die exakte Sternposition. Zuletzt musste auch noch der instrumentelle Fehler berücksichtigt werden. "Von allen diesen Irrungen, Zweifeln, Arbeiten und Berechnungen befreit uns diese schöne Methode mittelst der kleinen Sternlein, so sich nächst bei den größeren befinden, derselbst eigene Bewegung zu bestimmen. Das kleine Sternlein, so sich nächst bei dem größeren befindet, muß nothwendig der nämlichen Abänderung unterworfen seyn, wie der größere, weil sie beide in einer so kleinen Entfernung den nämlichen Gesetzen der Fixsterne folgen; findet man nun in Folge der Zeit eine Abänderung in ihrer gegenseitigen Entfernung gegen Ost oder West, Süd oder Nord, so haben wir eine zuverlässige Probe, daß einer aus beiden oder beide zusammen eine eigene Bewegung haben (...)“ [S. 66f]. Mayer erhoffte anhand dieser einfachen Methode das Rätsel der Eigenbewegung schneller aufklären zu können.
In seinem Buch kam Mayer immer wieder auf den Stern Arcturus (Alpha Bootes) und seine Nachbarsterne zu sprechen (siehe Abbildung 3, Gründliche Vertheidigung neuer Beobachtungen). Er nannte für die Eigenbewegung von Arcturus einen Wert von 1,4''/Jahr in RA und 2,01''/Jahr in Deklination. Aus diesen Angaben resultiert eine Eigenbewegung von insgesamt 2,4''/Jahr, ein Wert der den heutigen Annahmen von 2,282''/Jahr recht nahe kommt.

Bei seinen Beobachtungen entdeckte Christian Mayer auch Doppelsterne, die in älteren Sternverzeichnissen (Tobias Mayer, Flamsteed) noch als einfache Sterne aufgeführt waren (z. B. Phi 2 Canceri). Andere Doppelsterne, deren Komponenten sehr viel schwerer aufzulösen sind, fand er hingegen in deren Verzeichnissen als Doppelstern aufgeführt (z. B. Zeta Canceri). Da er von der Richtigkeit von Tobias Mayers Beobachtungen überzeugt war - auch Tobias Mayer verwendete für seine Beobachtungen einen Birdschen Mauerquadranten - zog er den Schluss : "(...) das 2te Phi des Krebses war folglich im Jahre 1755 noch kein Doppelstern, und dermalen ist es einer.
Auch bei dem Doppelstern Gamma Arietis fand er Unterschiede zwischen seinen Beobachtungen und den Beobachtungen von Flamsteed und Tobias Mayer. Während Flamsteed Gamma Arietis in den Jahren 1689 bis 1720 immer nur als einen einfachen Stern gesehen hatte, war Tobias Mayer die Doppelnatur bereits
seit 1756 bekannt. Christian Mayer schlussfolgerte  :"Dreißig bis 50 Jahre vorher waren beide Sterne noch näher beisammen und Herr Flamsteed konnte mit seinem 7 schuhigen Rohre nur einen Stern bemerken: dies war die Ursache, warum Herr Flamsteed das Gamma des Widders, als einen einfachen Stern eingesetzt hat, davon der berühmte Göttinger Astronom, Herr Tobias Mayer, den Unterschied in der Höhe von beiden Sternen auf das Jahr 1756 bis 9 Sek. gemessen hat." [S. 146]

Interessant ist auch das Beispiel der Beobachtung von Gamma Andromedae : Dieser Stern gehörte zu den ersten Objekten, die Mayer mit seinem neu aufgestellten Mauerquadranten ende Januar 1776 beobachtete. Zunächst entging ihm die Doppelnatur dieses Sterns. Erst ein Jahr später bemerkte Mayer den Begleiter. Wiederum zog er den falschen Schluss über eine Bewegung. Das diese Veränderungen an seiner eigenen, ungenauen Beobachtung liegen könnte, wurde von ihm nicht in Betracht gezogen. Wie Computersimulationen jedoch zeigen, waren die Bedingungen für seine ersten Beobachtungen von Gamma Andromedae im Januar 1776 ungünstig : in der späten Abenddämmerung des 26. Januar 1776 zogen Mond (Phase 30%) und Gamma Andromedae fast zeitgleich durch den Meridian. Der Abstand zwischen beiden betrug lediglich 38°.

Bei physischen Doppelsternen, ist die Eigenbewegung für alle Komponenten des Systems gleich. Um zu beweisen, dass es sich bei seinen neu entdeckten Doppelsternen um zusammengehörige Systeme handelt, verglich Christian Mayer die gefundenen Positionsänderungen mit den entsprechenden Werten der Eigenbewegung. Für einige Sterne hatte bereits Tobias Mayer die Eigenbewegung bestimmt. Auf diese Untersuchung stützte sich Christian Mayers Vergleich. Würden die jeweils betrachteten Doppelsterne kein physisches Doppelsternsystem bilden, müsste die Positionsänderung des Hauptsterns oder des Begleiters durch die Eigenbewegung erklärt werden können. Eine genaue Untersuchung der angeführten Beispiele zeigt, dass die Werte auf die sich Christian Mayer stützte, sehr fehlerhaft waren. So wird die Eigenbewegung von Beta Cygni mit einem viel zu hohen Wert angenommen, auch die gefundene Relativbewegung von Hauptstern und Begleiter, die aus Flamsteeds und seinen eigenen Beobachtungen berechnet wurde, scheint fragwürdig.

Zusammenhang zwischen scheinbarer Helligkeit, Sterndurchmesser und Entfernung

Wollte Christian Mayer beweisen, dass es sich bei den von ihm gefundenen Doppelsternen um zusammenhängende Sternsysteme handelt, so musste er neben der Relativbewegung auch den großen Helligkeitsunterschied der Komponenten erklären. Er ging in seinem Buch davon aus, dass der Durchmesser der Sterne unterschiedlich groß sein kann : "Nehmen wir an, daß alle Fixsterne nach ihrer wahren Größe einander ganz gleich sind, so ist ein Sternlein von der 10ten Größe 10 mal weiter von uns, als ein Stern von der 1sten Größe; allein ist es wohl glaubwürdig, daß alle Fixsterne einerlei Größe haben; gehöret derselben Verschiedenheit nicht zur Schönheit unseres Weltbaues ? Hieraus folget aber, daß ein Sternlein von der 10 ten Größe nur 10 mal kleiner nach seinem wahren Durchmesser seyn darf, damit er nächst an dem hellen größeren Stern in der nemlichen [gleichen] Tiefe und Oberfläche des Himmels erscheine." [S. 237]. Dies ist bereits eine moderne Auffassung über das Wesen der Sterne. Grundsätzlich lässt sich anhand der scheinbaren Helligkeit keine Angabe über die Entfernung eines Sterns machen. Um zu erklären, dass es sich bei seinen Doppelsternen um gravitativ zusammenhängende Sternsysteme handelt, die folglich gleich weit von uns entfernt sind, musste Mayer also obige Annahme treffen. Nur so konnte er plausibel darstellen, warum Hauptstern und Begleiter so unterschiedliche Helligkeiten haben.

Seine Annahme über den Zusammenhang zwischen Sterndurchmesser und Leuchtkraft folgte aus Erkenntnissen der Optik Lehre : "Wir wissen aus der Naturlehre, daß  zwei Wachskerzen, deren eine zwei Zoll dick ist, die andere nur einen Zoll im Durchmesser hat, bei sonst gleichen Umstände in der nemlichen Entfernung einen ungleichen Schein und Helle von sich geben. Das Wachslicht von 2 Zoll wirft in gleicher Entfernung viermal mehr Schein von sich als das ein zollige Wachslicht. Man kann nach dieser Erfahrung aus der Stärke und Glanz des Lichtes auf die scheinbare Größe des leuchtenden Körpers schließen. Ist das Licht a viermal stärker als das Licht b in gleicher Entfernung, so ist der Durchmesser des stärkeren Lichtes zweimal so groß, als der Durchmesser des kleineren; wäre der Glanz des einen 100 mal stärker als des anderen, so zeigte die Quadradwurzel 10 die Verhältnisse beeder Durchmesser wie 10 zu 1. Nach dieser Regel müßten wir dem hellglänzenden Trabanten nach dem Maas der Quadratwurzel seiner Lichtstärke auch einen größeren Umfang der wahren Größe einraumen, und hingegen bekennen, daß ein am Licht hundertmal schwächeres Sternlein 10 mal kleiner seie, als der hellere." [S. 240f].
Christian Mayer hatte also den Zusammenhang zwischen scheinbarer Helligkeit, Sterndurchmesser und Entfernung bereits richtig erkannt. Er wusste, dass die Komponenten eines Doppelsternsystems von sehr unterschiedlicher physischer Größe (Sterndurchmesser) sein können. Wenn aber der Hauptstern sehr viel größer wie sein Begleiter ist, so ist der Gedanke nicht mehr weit, es könne sich bei dem Begleiter auch um einen Planeten handeln, der lediglich das Licht seiner Sonne reflektiere. Mayers Ansicht zufolge, sei das wesentliche eines Planeten die eigene Bewegung um den Stern und nicht die Eigenschaft bloß das Licht zu reflektieren. Dennoch ließ er die Frage, ob er seine Fixsterntrabanten für Planeten halte immer wieder offen : "(...) hingegen sind unsere lichtlosen Planeten, wie unsere Erde, ohne Sonnenlicht und Hitze, und ohne vernünftige Geschöpfe eine finstere, unfruchtbare, traurige Sphäre, und ich finde keine Ursach solche der Sonnen so weit vorzuziehen". [S. 249]. Dennoch ging Mayer davon aus, dass es aufgrund der ungeheuren Anzahl der Sterne auch welche mit Planeten geben müsse.


Über das Wesen von Mayers Fixsterntrabanten
 
"Unter drei Gesichtspunkten kann man die zu Mannheim neu bemerkte Doppeltsterne betrachten. Die neu entstandenen Sternlein können an sich dunkle und lichtlose Planeten seyn, die sich um ihre Fixsterne bewegen; solches verräth ihr stilles dunkles Planetenlicht : oder man kann sie als so viele dunkle Sphären betrachten um welche sich die beweglichen Sonnen wenden: endlich kann in einem Doppeltsterne der größere so wohl als der kleinere eine an sich selbst leuchtende und bewegliche Sonne seyn, die in ihrem eigenen System um einen allgemeinen Ruhepunkt angezogen werden. In allen drei Fällen haben wir immer Fixsterntrabanten, die uns das Geheimnis neuer Sterne aufklären.“ [S. 113].
Sterne können aufgrund ihrer riesigen Entfernung als punktförmige Lichtquellen betrachtet werden. Dadurch senden sie kohärente Lichtwellen aus. Durch die Luftbewegungen in unserer Erdatmosphäre werden die Lichtwellen in ihrer gegenseitigen Phasenlage statistisch verschoben, wodurch es zu Interferenzen und Ortschwankungen kommt. Diese Phänomene lassen uns die Sterne als funkelnde Gebilde erscheinen. Im Gegensatz zu den Sternen kann man die Planeten nicht mehr als punktförmige Lichtquellen betrachten. Die Lichtwellen sind nicht kohärent und können nicht miteinander interferieren. Das für Sterne so typische funkeln und flackern kann daher am Planeten nicht beobachtet werden.
Da Mayer bei den schwächeren Begleitern dieses Funkeln nicht bemerkte, sprach er von „stilles, dunkles Planetenlicht“. Was Mayer nicht erkannte, ist die Tatsache, dass unsere Augen eine gewisse Lichtstärke benötigen um den Erscheinungen des Sternenlichtes folgen zu können. Schwächere Sterne funkeln genauso wie hellere Sterne, wir sehen es lediglich nicht oder nicht so deutlich.
Mit der geringen Helligkeit der Begleiter und der vermeintlichen Eigenschaft des Planetenlichtes hatte Mayer nun zwei Hinweise darauf, dass es sich bei den Begleitern auch um Planten handeln könnte : erstens die geringere physikalische Größe des Begleiters gegenüber dem Hauptstern und zweitens das scheinbare „stille, dunkle Planetenlicht“.



Das erste Doppelsternverzeichnis

In einem weiteren Buch führte Mayer seine Arbeiten über die Doppelsterne fort und stellte am Ende des Buches eine Tabelle von 72 Doppelsternen zusammen, so wie es Maximilian Hell bereits in seiner ersten Kritik gefordert hatte. Dieser Beitrag erschien unter dem Namen "De novis in coelo sidereo phaenomenis in miris stellarum fixarum comitibus" 1780 in der "Acta Academiae Theodoro-Palatinae" [4].
Durch dieses Buch wurde auch Friedrich Wilhelm Herschel auf die Doppelsterne aufmerksam. Im Jahr 1781 erschien Mayers Tabelle in Johann Elert Bodes "
Berliner Astronomischen Jahrbuch für 1784" (260 kB) als "Verzeichnis aller bisher entdeckten Doppelsterne“ (160 kB) 
[1] wobei Bode das Verzeichnis um 8 weitere, schon lange bekannte Doppelsterne erweiterte. Der Katalog enthielt somit 80 Doppelsterne mit Angaben über Abstand und Positionswinkel.
So gesehen hatte der Streit zwischen Christian Mayer und Maximilian Hell etwas positives, denn diesem Streit verdanken wir letztlich Mayers Doppelsternkatalog. Zudem beschrieb er ausführlich seine Ansichten, so dass wir heute noch nachvollziehen können, was es mit dem Begriff Fixsterntrabant auf sich hat.



Kritik und Würdigung

Insgesamt ist Christian Mayers These von den zusammengehörigen Sternsystemen völlig richtig, doch es gelang ihm aus heutiger Sicht nicht, die Relativbewegung schlüssig zu beweisen. Das Beobachtungsmaterial, das Mayer für seine Untersuchungen und Vergleiche heranzog, war insgesamt zu fehlerhaft und noch zu unvollständig. Ein Grund hierfür lag unter anderem an dem kartesischen Koordinatensystem (Rektaszension, Deklination). Dieses Koordinatensystem ist zwar sehr gut geeignet, die lineare Eigenbewegung eines Sterns darzustellen (vgl. Mayer 36) aber entsprechend ungeeignet für die Beschreibung der radialen Bewegungen eines Begleiters um seinen Hauptstern. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Nachweis eines Bahnabschnittes erst Friedrich Wilhelm Herschel im Jahr 1804 gelang. Herschel verwendete für die Beschreibung seiner Beobachtungen stets Polarkoordinaten (Distanz, Positionswinkel).

Den Zusammenhang zwischen Leuchtkraft, Sterndurchmesser und Entfernung hatte Mayer bereits richtig erkannt und war sich über die Tragweite dieser Zusammenhänge bewusst. Er ordnete den Sternen verschiedene Eigenschaften und Abhängigkeiten zu und traf bereits korrekte Aussagen über ihre physikalischen Relationen.



Weitere Biografien über Christian Mayer finden Sie unter :
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Mayer_(Physiker)
  • http://www.wissenschaft-online.de/spektrum/venus/mayer.html
  • Alexander Moutchnik, Forschung und Lehre in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Der Naturwissenschaftler und Universitätsprofessor Christian Mayer SJ (1719-1783), 523 Seiten, Mai 2006
  • Kai Budde, Sternwarte Mannheim, Die Geschichte der Mannheimer Sternwarte 1772 - 1880, Herausgegeben vom Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, Verlag Regionalkultur 2006
  • G. Klare, Christian Mayer, Zur Geschichte der Mannheimer Sternwarte, Sterne und Weltraum 1, 117 6/1962

Quellennachweis

[1] Christian Mayer, Verzeichnis aller bisher entdeckten Doppelsterne, Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1784, Herausgegeben von Johann Elert Bode 1781,
[2] Denkschrift des Geheimrats Klüber von 1811, entnommen aus http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/b/bd/SternwarteMannheim.jpg
[3] Christian Mayer, Gründliche Vertheidigung neuer
Beobachtungen von Fixsterntrabanten, welche zu Mannheim auf der kurfürstlichen Sternwarte entdeckt worden sind, Mannheim 1778
[4] Christian Mayer,
De novis in coelo sidereo phaenomenis in miris stellarum fixarum comitibus, Mannheim 1779
[5] Christian Mayer,
Ad Augustissimam Russiarum Omnium Imperatricen Catharinam II. Alexiewnam Expositio De Transitu Veneris Ante Discum Solis D. 23 Maii, 1769, St. Petersburg 1769
[6] ANNO - AustriaN Newspapers Online - Zeitungen, virtuelle Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek

[7] Andrea Linnebach, Das Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel, 1769-1796, Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Band 114, 2009
[8] Foto entnommen aus Wikipedia Zwehrenturm
[9]
Technoseum ehemals Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim (LTA), Fotografie : J.S.Schlimmer 01/2012



Anmerkung

Der erste Abschnitt "Der Mannheimer Astronom Christian Mayer" wurde über die Begegnung zwischen Mayer und Matsko in Kassel in 01/2013 ergänzt.




Danksagung

Mein Dank gilt den Mitarbeiter/innen der Bibliothek des TECHNOSEUMS, die mir den Einblick in Mayers Buch
Gründliche Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixsterntrabanten sowie in seine Beobachtungsbücher und Notizen ermöglichten.

Mein Dank gilt Herrn
Dipom Geograph Rolf Siemon, der mich über das Treffen zwischen den Astronomen Christian Mayer und Johann Matthias Matsko informiert hat. Diese Begegnung geht aus der Auswertung des Besucherbuches von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel (1769-1796) hervor. Herr Siemon arbeitet als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturkundemuseum der Stadt Kassel und im Stadtmuseum der Stadt Kassel Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen.




Seitenaufrufe seit 15.02.2006 :