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Inhalt:

Teil 1:
  • Galileo und Riccioli
  • Beginn der systematischen Beobachtung
  • Die Suche nach der Parallaxe
  • Doppelsternbeobachtungen ab ca. 1870
  • Doppelsternbeobachtungen im 20. Jahrhundert
  • Fotografische Himmelsdurchmusterungen
  • Doppelsternentdeckungen im Rahmen der Hipparcos Mission der ESA
  • Eine kleine Exkursion zum Zentrum.....
Teil 2:
  • Die Analyse der entdeckten Doppelsterne



Galileo Galilei
(1564-1642)



Christian Mayer
(1719-1783)



Wilhelm Herschel
(1738-1822)


John Herschel
(1792-1871)



Johann Elert Bode
(1747-1826)



Friedrich Wilhelm Bessel
(1784-1846)



Friedrich Georg Wilhelm
Struve (1793-1864)



Otto Struve
(1819-1905)



S.W. Burnham
(1838-1921)



R.G. Aitken
(1864-1951)



R.A. Rossiter
(1886-1977)



R. Jonckheere
(1888-1974)



W.H.van den Bos
(1896-1974)



P. Couteau
(1923-2014)



W.D. Heintz
(1930-2006)



W.J. Luyten
(1899-1994)



Kurze Geschichte der Doppelsternbeobachtung, Teil 1:
Die Astronomen

Stichworte : Struve, Herschel, Burnham, Aitken, Espin, Pourteau, Rossiter,  Jonchheere, van den Bos,  Couteau, Heintz, Luyten

von J. S. Schlimmer (12/2020, grundlegend überarbeitet und erweitert)

Vorwort

Neue Recherchen über die Geschichte der Doppelsternbeobachtung, insbesondere jedoch über die Eigenschaften der Doppelsterne, die von den einzelnen Astronomen entdeckt wurden, haben mich Ende 2020 veranlasst, diesen Artikel grundlegend zu überarbeiten und zu erweitern. Hierbei geht es nicht nur um die Menge der Doppelsterne die von einzelnen Astronomen entdeckt wurden, sondern vielmehr um den Vergleich der einzelnen Ergebnisse.

Im ersten Teil werden zunächst einige Astronomen vorgestellt, die sich mit der Beobachtung von Doppelsternen befasst haben. Der zweite Teil befasst sich hingegen mit deren Ergebnissen. Neben den Persönlichkeiten werden auch große Durchmusterungen im 20. und 21. Jahrhundert beschrieben, aus denen eine Vielzahl neuer Doppelsterne hervorging. Die Auswahl ist willkürlich und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

Galileo Galilei (1564-1642) und Giovanni Battista Riccioli (1598-1671)

In der Antike waren schon einige wenige Doppelsterne bekannt. Aber die eigentliche Doppelsternbeobachtung beginnt mit der Erfindung des Fernrohrs. Galileo Galilei beobachtete bereits 1617 Theta Orionis und erkannte 2 weitere, schwächere Sterne in der Nähe des Hauptsterns. Beide Begleiter waren etwa gleich hell und hatten zu Theta Orionis den gleichen Abstand. Für Galileo lagen die beiden Begleiter so dicht an der Hauptkomponente, dass sie diese praktisch berührten. Galileo erkannte bereits die Möglichkeit, anhand von eng beieinander stehenden Sternen die Parallaxe zu bestimmen. Diese Idee wurde rund 200 Jahre später von Wilhelm Herschel wieder aufgegriffen. Doch erst F.G.W. Struve und F.W. Bessel sollte die Bestimmung der Parallaxe Jahrzehnte später gelingen. Doch zurück zur Chronologie.

 Museo Galilei Eintrittskarte 1999 Galileo Galilei Objektivlinse

Abbildung 1a: Eintrittskarte von 1997 des Museums für Wissenschaftsgeschichte "Instituto E Museo Di Storia Della Scienza" in Florenz (heute Museo Galileo). Hier befinden sich einige Originalteleskope von Galileo. Die Eintrittskarte zeigt die Linse mit der er die 4 Galileischen Monde entdeckte. Sie befindet sich seit 1677 in einem Elfenbeinrahmen. Die optischen Eigenschaften seines Teleskops hatte er im Jahre 1609 ausführlich in seinem Buch Sidereus Nuncius beschrieben. Abbildung 1b: Linse eingerahmt, Foto J.S. Schlimmer  08/2016

Einige Jahre später, um 1650 beobachtete der italienische Astronom G. B. Riccioli den Stern Mizar im Sternbild Großer Bär und entdeckte, dass dieser aus zwei Komponenten besteht (Abbildung 2). Das optische Paar Mizar und Alkor ist wegen der großen Distanz hingegen schon seit der Antike bekannt. Es lässt sich bereits mit dem bloßen Auge trennen.


Abbildung 2: Alkor (links) und Mizar (rechts) lassen sich bereits mit bloßem Auge trennen. Um Mizar getrennt zu sehen, bedarf es hingegen ein kleines Teleskop. Seine Komponenten haben die Größen 2,23 und 3,88 Magnituden und sind 14,3 Bogensekunden voneinander entfernt.


Beginn der systematischen Beobachtung

Die systematische Suche und Beobachtung der Doppelsterne begann mit Christian Mayer (1719-1783). Mayer beobachtete helle Fixsterne, um deren Eigenbewegung zu untersuchen. Dabei fielen ihm schwächere Sterne in nächster Umgebung dieser hellen Sterne auf, die bislang in keinem Sternregister aufgeführt waren. Im Jahre 1779 veröffentlichte er eine erste Tabelle mit 72 Doppelsternen. Diese Tabelle erschien 2 Jahre später in Bodes "Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1784" unter dem Titel "Verzeichnis aller bisher entdeckten Doppeltsterne". Die Tabelle wurde von Bode um 8 Sterne erweitert und enthielt somit 80 Doppelsterne. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, war Christian Mayer bereits von einer gravitativen Zusammengehörigkeit dieser neuen Sternsysteme überzeugt.

Durch Mayers Veröffentlichung angeregt, beobachtete auch Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) ab dem Jahr 1779 systematisch Doppelsterne. Im Gegensatz zu Mayer hielt er diese Systeme jedoch nur für optische Doppelsterne. Herschel wollte mit seinen Beobachtungen geeignete Kandidaten zur Bestimmung der Parallaxe ermitteln, eine Idee die bereits auf Galileo Galilei zurückgeht. Herschel veröffentlichte im Jahr 1782 seinen ersten Doppelstern Katalog mit insgesamt 269 Doppel- und Mehrfachsternen (siehe Teil 2). Er teilte die beobachteten Doppelsterne je nach Schwierigkeitsgrad in 6 Klassen ein. In den nachfolgenden Jahren beobachtete er rund 1000 solcher Sterne, bis er 1804 zur Schlussfolgerung kam, ”dass es eigene Sternsysteme gibt, die aus 2 Fixsternen bestehen, von welchen der eine sich in einer regelmäßigen Bahn um den anderen bewege”. In diesen 24 Jahren hatte sich der Positionswinkel von 53 Xi UMa um 59° geändert (Abbildung 3) [1,2]. Er nannte diese Sterne Binary Stars im Gegensatz zu den scheinbaren Doppelsternen, die er als Double Stars bezeichnet [3]. Damit war der Beweis erbracht, dass das newtonsche Gravitationsgesetz von 1687 über unser Sonnensystem hinaus wirksam ist. Was uns heutzutage so selbstverständlich erscheint, war damals noch eine kleine Sensation. Sein Sohn John Herschel (1792-1871) führte die Doppelsternbeobachtungen seines Vaters ab 1834 am Südhimmel in Kappstadt/Südafrika fort. John Herschel entdeckte fast 6000 Doppelsterne (siehe Teil 2).


Die Suche nach der Parallaxe

Ab 1815 beschäftigte sich Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793-1864) in Dorpat mit der Beobachtung und Vermessung von Doppelsternen. Im Jahre 1822 veröffentlichte er seinen ersten Doppelsternkatalog. In den kommenden 15 Jahren folgten 2 weitere Kataloge (Abbildung 3). Struve entdeckte über 3000 neue Doppelsterne. Anhand von Vega versuchte er die Parallaxe eines nahen Sterns zu bestimmen. Später führte sein Sohn Otto Struve (1819-1905) in Pulkowo in der Nähe von St. Petersburg die Doppelsternbeobachtungen fort (siehe Teil 2). 

Ab dem Jahr 1840 führte J. H. Mädler Struves Doppelsternbeobachtungen in Dorpat fort und berechnete für einige wenige Systeme erste Umlaufbahnen. Auch F.W. Bessel beobachtete zu dieser Zeit von Königsberg aus Doppelsterne. Ihm gelang 1838 als erstem die genaue Bestimmung der Parallaxe anhand des Sterns 61 Cygni. Mehr zur Bestimmung der Parallaxe und der Eigenbewegung von 61 Cygni finden Sie in dem Artikel Der Doppelstern 61 Cygni.


Abbildung 3: Struves Doppelsternkatalog aus dem Jahr 1837, Auszüge

Doppelsternbeobachtungen ab ca. 1870

Im Amerika befasste sich Sherburne Wesley Burnham (1838-1921) mit der Vermessung von Doppelsternen. Zunächst mit einem privaten 6 Zoll Refraktor ausgestattet, standen ihm im Laufe seiner Karriere der 18.5 Zoll Refraktor des Dearborn Observatory von Chicago, der 26 Zoll Refraktor des Naval Observatory in Washington, der 36 Zoll Refraktor des Lick Observatory und der 40 Zoll Refraktor des Yerkes Observatory zur Verfügung [3]. Er entdeckte knapp 2700 Doppel- und Mehrfachsterne, siehe auch Artikel Common Proper Motion Pairs. Burnham veröffentlichte 1906 den BDS Katalog unter dem Namen A General Catalogue of Double Stars Within 121° of the North Pole.

In England beobachtete Thomas Henry Espinell Compton Espin (1858-1934) als Amateurastronom ab ca. 1880 zunächst variable Sterne, ab 1886 Sterne mit K-M Spektren. Seine Beobachtungen veröffentlichte er regelmäßig in den Astronomischen Nachrichten. Über sein neues Observatorium in Wolsingham im Nordosten Englands findet sich 1888 folgender kurzer Beitrag: "The site of the new Observatory is 3 Miles NE of the old one, and stands a 1000 feet above the sea." [4]. Seine Beobachtungen führte er mit Hilfe eines 17.25-Zoll Reflektor durch. Ab ca.1892 begann Espin intensiv Doppelsterne zu beobachten. Seine ersten Ergebnisse hierzu veröffentlichte er ein Jahr später im Journal of the British Astrnomical Association [5] unter dem Titel :"Micrometrical Measurements of Double Stars in Connexion with the New Edition of Celestial Objects". Espin schrieb : "Ich kann hinzufügen, dass dieser Bereich der Astronomie für mich ziemlich neu ist und dass ich als Anfänger große Zugeständnisse [allownance, Anm. d. Authors] beanspruchen muss." Dieses Datum deckt sich sehr gut mit den Einträgen im Washington Double Star Catalog [25]. Seit 1919 war er Mitglied der IAU. Im Laufe seines Lebens entdeckte er fast 3200 neue Doppelsterne (siehe Teil 2).

Ein wenig später als Burnham beobachtet auch Robert Grant Aitken (1864-1951) am Lick Observatorium in Kalifornien am 36-Zoll Refraktor Doppelsterne. Sein Buch The Binary Stars, das 1918 erschien, widmete er Burnham [6]. Aitken selbst entdeckte etwa 3500 Doppelsterne. Aitken veröffentlichte den New General Catalogue of Double Stars within 120° of the North Pole im Jahr 1932. Mit den damals größten Teleskopen der Welt aus den Werkstätten von Alvan Clark & Sons und G.W. Ritchey übernahm Amerika die Führungsrolle in der Astronomie.

Burnham 40 Zoll Refraktor Aitken 36 Zoll Refraktor

Abbildung 4: a) Burnham : 40 Zoll Clark Teleskop des Yerkes Observatoriums [3]  b) Aitken: 36 Zoll Refraktor des Lick Observatoriums [6]

Doppelsternbeobachtungen im 20. Jahrhundert

In Frankreich taten sich besonders Abel Pourteau, Robert Jonckheere und Paul Couteau in der Beobachtung bzw. der Entdeckung von Doppelsternen hervor. In Südafrika beobachteten Richard Alfred Rossiter und Willem Hendrik van den Bos erfolgreich Doppelsterne:

Über Abel Pourteau (1862-19xx) ist nahezu nichts bekannt, auch nicht in welchem Jahr er gestorben ist. Er arbeitete von 1919 bis 1927 an der Pariser Sternwarte und war an der Auswertung der Fotoplatten für den Carte de Ciel beteiligt. Ab 1923 begann er zusätzlich neue Doppelsterne auf den Aufnahmen zu analysieren. Im Jahr 1933 veröffentlichte er seinen Catalog des etoiles doubles de la zone +24° de la Carte Photographique du Ciel mit über 5000 Doppelsternen (siehe Teil 2). Im gleichen Jahr wurde er mit dem Lalande-Preis von der französischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet [7].

Richard Alfred Rossiter (1886-1977) wurde in den USA geboren. Er studierte an der Wesleyan Universität, wo er anschließend für 5 Jahre Mathematik unterrichtete. Danach studierte er Astronomie an der Universität von Michigan bei W.J. Huessey. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich anhand von beta Lyrae mit der Rotation der Sterne, basierend auf der Verschiebung von Spektrallinien in Spektrogrammen. Es war Husseys Idee in Südafrika ein Observatorium zu errichten, um dort Doppelsterne zu beobachten. In Rossiter sah er den geeigneten Kandidaten für dieses Vorhaben. Zusammen mit Rossiter reiste 1926 Huessey nach Südafrika, starb aber auf der Hinreise an einem Herzinfarkt. Rossiter führte das Projekt allein fort und wurde 1928 Direktor des Lamont-Hussey Observatorium in Südafrika, das zur Universität von Michigan, USA gehörte. Er entdeckte dort rund 5600 Doppelsterne (siehe Teil 2). Seine Assistenten H.F. Jessup und M.K. Donner entdeckten jeweils 803 bzw. 1031 weitere Doppelsterne. Das Hauptinstrument war ein 27-Zoll Refraktor. 1955 veröffentlichte er den Catalogue of Southern Double Stars. Insgesamt führte Rossiter 23.814 Messungen durch [8].

Robert Jonckheere (1888-1974) stammte aus einer industriellen Familie und ließ 1907-1909 in der Nähe seines Wohnortes in Hem bei Lille eine private Sternwarte errichten. Der Refraktor stammte von der Firma Mailhat und hatte eine Brennweite von etwa 600 cm und eine Öffnung von 341 mm. Während des ersten Weltkrieges flüchtete er mit seiner Familie nach England, wo er am Royal Observatory in Greenwich untergebracht war, was ihm die Fortsetzung seines Studiums über die Doppelsterne ermöglichte. Nach dem Krieg war sein privates Observatorium in Hem stark beschädigt, das Familienunternehmen konkurs. Zwischen 1927 und 1929 wurde das Teleskop sowie die Ausrüstung an die Universität Lille verkauft. Dort wird es heute noch für Schulungszwecke für Studenten und Mitarbeiter der Universität eingesetzt [9]. Im gleichen Jahr reiste Jonckheere nach Marseille um an der dortigen Sternwarte (immer noch als Amateur) weiterzuarbeiten. Bis 1942 verdiente er seinen Lebensunterhalt mit kleinen Jobs. Nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung am Centre National de la Recherche Scientifique (C.N.R.S) startete er seine Karriere als Maitre de Recherche delegue à l' Observatoire de Marseille und setzte seine Beobachtungen unter anderem am 80 cm Teleskop von Leon Foucault fort [10]. Im Washington Double Star Catalog [25] sind 3292 Doppelsterne mit seinem Entdecker Code J gekennzeichnet (siehe Teil 2).


Abbildung 5: a) Robert Jonckheere an seinem Teleskop im Winter 1912 [11], b) Refraktor der Firma Mailhat seiner Privatsternwarte Hem bei Lille/Frankreich [11]

W.H. van den Bos (1896-1974) wurde in Rotterdam geboren. Er studierte an der Universität in Leiden und führte ab 1920 Messungen an Doppelsternen durch. 1925 folgte seine Doktorarbeit über Mikrometermessungen an Doppelsternen. Im gleichen Jahr ging er nach Johannisburg an das Union Observatorium und führte seine Arbeiten am 26.5 Zoll Teleskop fort. In der Zeit 1941 bis 1956 war er Direktor des Union Observatoriums, von 1938 bis 1952 war er Präsident der Kommission 26 der IAU. In den 50er und 60er Jahren folgten Forschungsaufenthalte in den USA [12], [13]. Van den Bos entwickelte eine neue Methode zur Bahnberechnung (Thiele-van den Bos Methode) [13], [16] und veröffentlichte 134 Arbeiten über Berechnungen von Umlaufbahnen. Diese wurden inzwischen durch Neuberechnungen abgelöst [14]. Er entdeckte 3119 Doppelsterne (siehe Teil 2).

Paul Couteau (1923-2014) führte seine Beobachtungen in der Zeit von 1951 bis 1967 am 38 cm Refraktor an der Sternwarte von Nizza durch. Für die Messungen verwendete er verschiedene Mikrometer (Fadenmikrometer, Doppelbild-Mikrometer). Später beobachtete er mit dem 50 cm und dem 74 cm Refraktor der Sternwarte. 1962 verbrachte er 6 Monate am Yerkes Observatory in Wisconsin, USA und am McDonald Observatory in Texas. 1983 folgten weitere kurze Aufenthalte am Lick Observatory in Mount Hamilton, USA und 1986 am Pick du Midi am 2 Meter Teleskop. In den Jahren 1967 bis 1970 war er Vorsitzender der Double Star Commission 26 der International Astronomical Union (IAU) [15]. Er entdeckte rund 2700 Doppelsterne (siehe Teil 2).


Abbildung 6: Der große Refraktor der Sternwarte Nizza, 74 cm freie Öffnung, 17,89 m Brennweite [16],[17]

W.D. Heintz (1930-2006) war ein deutscher Astronom. Bekannt wurde Heintz durch die vielen Bahnberechnungen, die er für Doppelsterne durchführte. 1971 erschein sein Taschenbuch Doppelsterne im Goldmann Verlag [18]. Heintz wird als prägnante und akribische Person beschrieben. Während seines Studiums an der Universität in München-Bogenhausen lernte er bereits am dortigen Fraunhofer-Refraktor Doppelsterne zu beobachten. Nach seiner Promotion 1953 wurde er als Assistent an der Südstation in Mount Stromlo in Australien angestellt. Seine erste bedeutende Publikation war Die Doppelsterne im FK4 im Jahr 1960. Ein Jahr später nahm er am IAU Symposium über Doppelsterne an der Universität von Berkeley teil. Ab 1969 lebte Heintz in den USA und unterrichtete am Swarthmore College bei Philadelphia. Am dortigen Sproul Observatorium beobachtete er am 24-Zoll Refraktor Doppelsterne. Er hat insgesamt 54.000 Mikrometer Messungen durchgeführt und 900 neue Doppelsterne entdeckt (siehe Teil 2). Zusammen mit C. Worley arbeitet er am 4. Catalogue of Orbits of Visual Binary Stars mit, der vom US Naval Observatoriom (USNO)  1983 als gedruckter Katalog herausgegeben wurde [19], [20]. Vielen ist der Name Heintz aus dem Handbuch für Sternfreunde von G.D. Roth bekannt. Er ist der Autor des Kapitels 13 über Doppelsterne im 2. Band [21].


Abbildung 7: Wulff Dieter Heintz, Doppelsterne [18], Privatsammlung J.S. Schlimmer

Fotografische Himmelsdurchmusterungen

Die POSS-I Durchmusterung, die mit dem 48-Zoll Schmidt Teleskop des Mount Palomar Observatoriums in der Zeit von 1948-1958 durchgeführt wurde, veranlasste Willem Jacob Luyten (1899-1994) die Fotoplatten gezielt nach Sternpaaren mit gemeinsamer Eigenbewegung zu untersuchen [22]. Über 6000 solcher Paare konnte er ausfindig machen, die unter dem Entdecker Code LDS im Washington Double Star Catalog [25] aufgeführt sind, siehe auch Artikel Common Proper Motion Pairs.

Im Rahmen der fotografischen Himmelsdurchmusterung des United States Naval Observatory (USNO) in Washington entstand der USNO-B1.0 Katalog mit mehr als einer Milliarde (!) Objekten. Hierfür wurden im Laufe von 50 Jahren insgesamt 7435 Schmidt Platten aufgenommen und später eingescannt [23], [24]. Unter anderem wurden im Rahmen dieser Durchmusterung auch 5220 neue Doppelsterne entdeckt. Die Einträge im Washington Double Star Calalog Katalog erstrecken sich über den Zeitraum von 1892 -2000, allerdings stammen 90% der entdeckten Doppelsterne aus der Zeit von 1996-2000. Wegen der ungünstigen Lage in Washington D.C. wurden die Teleskope ab 1955 nach Flagstaff, Arizona verlagert. Vom United States Naval Observatory wird auch der Washington Double Star Catalog (WDS) - der inzwischen rund 150.000 Doppelsterne beinhaltet - herausgegeben [25].

Doppelsternentdeckungen im Rahmen der Hipparcos Mission der ESA

Die Hipparcos Mission (1989-1993) der ESA hatte die Positionsbestimmung von mehr als 1.100.000 Sternen zum Ziel. Bei etwa 118.000 Sternen wurde die Position mit einer Genauigkeit von etwa 1 mBogensekunde ermittelt (Hipparcos-Katalog), bei den restlichen wurde die Position mit geringerer Genauigkeit von etwa 20-30 Millibogensekunden ermittelt (Tycho-Katalog). Neben der Position wurden auch Parallaxen und Eigenbewegungen gemessen. Die Optik des Satelliten bestand aus einem Schmidt Teleskop. Der Durchmesser des Hauptspiegels betrug 290 mm, die Brennweite 1400 mm, woraus sich ein Öffnungsverhältnis von 1/4.8 ergab [26]. Mit dem Hipparcos Satelliten wurden über 17.000 Doppelsterne entdeckt.


Abbildung 8: Der Hipparcos Satellit [26]

Doppelsterne im Rahmen der Gaia Mission der ESA

Im Rahmen der Gaia Mission (2013- ) wurden Parallaxen und Eigenbewegungen von Sternen mit sehr hoher Genauigkeit vermessen. Der erste Katalog DR1 wurde bereits im September 2016 veröffentlicht, der zweite Katalog DR2 folgte im April 2018. Im Dezember 2020 wurde mit dem EDR3 der 3. Katalog der Mission veröffentlicht. Die Daten lasen Rückschlüsse auf die tatsächlichen Entfernungen der Sterne aber auch auf die Abstände zwischen den Komponenten von Doppelsternen und Sternpaaren mit gemeinsamer Eigenbewegung zu [27].

Eine kleine Exkursion zum Zentrum.....

Analog zu den Bewegungen von Doppelsternen bewegen sich auch die Sterne in der Nähe der Milchstraße um einen Zentralkörper. Bei diesem handelt es sich um ein sogenanntes schwarzes Loch. Ein internationales Forscherteam, das von Reinhard Genzel (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik) geleitet wurde, konnte anhand der Bewegung des Sterns S2 um Sgr A* zeigen, dass es sich bei der zentralen Masse um ein schwarzes Loch handeln muss [28]. Im Frühjahr 2002 näherte sich der Stern S2 bis auf 15 Millibogensekunden der zentralen Masse an. Die Umlaufzeit von S2 um das schwarze Loch beträgt etwa 16 Jahre. Anhand der Bahn von S2 kann man auf die Masse des schwarzen Loches schließen. Nach neueren Erkenntnissen beträgt sie ca. 4,3 Millionen Sonnenmassen. Im Juli 2018 konnte bei der Periastronpassage von S2 auch die gravitative Rotverschiebung beobachtet werden, die ein weiterer Nachweis der Allgemeinen Relativitätstheorie ist. 


Abbildung 9: Das Zentrum unserer Milchstraße um die Radioquelle Sgr A* [28]


Abbildung 10: Ein merkwürdiges Binary System: der Stern S2 umkreist die Zentralmasse unserer Milchstraße in 15,2 Jahren [28]

Für die astronomische Forschung über schwarze Löcher wurde der Nobelpreis in Physik 2020 zur Hälfte an Roger Penrose "for the discovery that black hole formation is a robust prediction of the general theory of relativity" verliehen. Die andere Hälfte ging an Reinhard Genzel und Andrea Ghezfor the discovery of a supermassive compact object at the centre of our galaxy”. Beide haben unabhängig voneinander die Umgebung von Sgr A* untersucht [29].


Abbildung 11: a) Reinhard Genzel bei der Pressekonferenz am 6. Oktober 2020 in München (ZDF),  b) Übergabe des Nobelpreises




Fortsetzung des Artikels : Teil 2: Die Analyse



Weitere Informationen

Artikel über : Die Eigenbewegung der Fixsterne
Artikel über : Die Masse der Sterne
Das Grab von Galileo Galilei in der Basilika Santa Croce in Florenz



Quellennachweis

[1] Felix R. Paturi, Harenberg Schlüsseldaten Astronomie, Harenberg Lexikon Verlag 1996, ISBN 3-611-00537-1
[2] Sterne und Weltraum 4/2003, Aktuelles am Himmel
[3] S.W. Burnham, A General catalogue of 1290 double stars discovered from 1871 to 1899 by S.W. Burnham, Reprint von Amazon 2013
[4] T.E. Espin, Notiz bert. Wolsingham Observatory, Astronomische Nachrichten, Nr. 2868, Volume 120 p 191, 1888
[5] T.E. Espin,
Micrometrical Measurements of Double Stars in Connexion with the New Edition of Celestial Objects, Journal of the British Astrnomical Association, Vol. 3 pp.226-230, 1893
[6] Robert Grant Aitken, The Binary Stars, 1918, Reprint from the collection of the University of Michigan Library
[7] Frank Smith, The Double Stars of Abel Pourteau, Journal of Double Star Observations, Vol. 8, No. 4, October 1, 2012
[8] F. Holden, R.A. Rossiter:Obituary Notice,
onthly Notes of the Astron. Soc. Southern Africa, Vol. 36, p.60
[9] Seances d'observation du ciel, http://astronomie.univ-lille1.fr/Observations/
[10] Robert Jonckheere, Wikipedia, L'encyclopedie libre, https://fr.wikipedia.org/Robert_Jonchh%C3%A8ere
[11] Jean-Claude Thorel, Robert Jonckheere (1888-1974), Une vie de passion pour les etoiles doubles, Ciel et Terre. Bulletin de la Societe belge d'astronomie, de meterologie et de physique du globe, Vol. 117, No 1, p.2-9, 2001
[12] Finsen, W.S., Willem Hendrik van den Bos, Monthly Notes of the Astr. Soc. Southern Africa, Vol. 33, p.60
[13] Willem Hendrik van den Bos, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Willem_Hendrik_van_den_Bos
[14]
Rachel A. Matson, Stephen J. Williams, William I. Hartkopf & Brian D. Mason, Sixth Catalog of Orbits of Visual Binary Stars, http://www.astro.gsu.edu/wds/orb6.html
[15] Paul Couteau, Wikipedia, https://fr.wikipedia.org/wiki/Paul_Couteau
[16] Paul Couteau, La Grande Lunette De L'Observatoire de Nice, L' Astronomie, Vol. 84, p.213
[17] Observatoire de Nice, Wikipedia, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Observatoire_de_Nice
[18] Wulff Dieter Heintz, Doppelsterne, Wilhelm Goldmann Verlag München, 1971
[19] Augensen, Harry John, Obituary: Wulff-Dieter Heintz, 1930-2006, Bulletin of the American Astronomical Society, v.38, no.4, p. 1274-1275
[20] Augensen, Harry J.; Mason, Brian D.; Hartkopf, William I.; Wulff Dieter Heintz (1930-2006), Binary Stars as Critical Tools & Tests in Contemporary Astrophysics, Proceedings of IAU Symposium #240, held 22-25 August, 2006 in Prague, Czech Republic. Edited by W.I. Hartkopf, E.F. Guinan and P. Harmanec. Cambridge: Cambridge University Press, 2007, p.480-485
[21] G.D. Roth (Hrsg.), Handbuch für Sternfreunde, Band 2, Beobachtung und Praxis, Springer Verlag, 4. Auflage, 1989
[22] Luyten, LDS Catalogue : Doubles with Common Proper Motion (Luyten 1940-87), SIMBAD, https://vizier.u-strasbg.fr/viz-bin/VizieR-3
[23] D. Monet et al., The USNO-B1.0 Catalog, http://tdc-www.harvard.edu/catalogs/ub1.html
[24] David G. Monet et al., The USNO-B catalog, The Astronomical Journal, 2003

[25] The Washington Double Star Catalog, http://ad.usno.navy.mil/wds/
[26] The Hipparcos Space Astrometry Mission, https://www.cosmos.esa.int/web//hipparcos
[27] gaia archive, https://gea.esac.esa.int/archive/
[28] Max Planck Gesellschaft, Presseinformationen, Massenmonster im Herzen der Milchstraße, http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2002/pri0287.htm
Dem Forscherteam gehörten an: Rainer Schödel, Thomas Ott, Reinhard Genzel, Reiner Hofmann und Matt Lehnert (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching), Andreas Eckart und Nelly Mouawad (Physikalisches Institut, Universität zu Köln), Tal Alexander (Weizmann Institute of Science, Rehovot, Israel), Mark J. Reid (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, Mass., USA), Rainer Lenzen und Markus Hartung (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg), François Lacombe, Daniel Rouan, Eric Gendron und Gérard Rousset (Observatoire de Paris - Section de Meudon, Frankreich), Anne-Marie Lagrange (Laboratoire d’Astrophysique, Observatoire de Grenoble, Frankreich), Wolfgang Brandner, Nancy Ageorges, Chris Lidman, Alan F. M. Moorwood, Jason Spyromilio und Norbert Hubin (Europäische Südsternwarte), Karl M. Menten (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn)
[29] The Nobel Prize, https://www.nobelprize.org/prizes/lists/all-nobel-prizes-in-physics/
[30] Wilfried R.A. Knapp, Jonckheere Double Star Photometry, siehe JDSO/Index, http://www.jdso.org/



Danksagung

This
research has made use of the SIMBAD database, operated at CDS, Strasbourg, France
This research has made use of the Washington Double Star Catalog maintained at the U.S. Naval Observatory.


Artikel überarbeitet in 11/2018
Artikel grundlegend überarbeitet und erweitert 12/2020